den verblendet. Witz hat die Stelle der Vernunft, eine kalte gezwungene Umar- mung heißt Freundschaft, Pracht und Aufwand, Glück - - - - O mein Kind, sollte ich jemals wieder diesem Kreise mich nähern, so will ich mit einiger Sorge alles vermeiden, was mich in den Stufen mei- ner Erinnerung und meines Unglücks an den Großen und Glücklichen schmerzte. Die Gräfin Douglaß nimmt die kleine Lidy zu sich; sie sagt, ich hätte genug für das Kind gethan, und es solle Niemand mehr Anlaß haben, die Uebung der größ- ten Tugend als die Folge eines Fehltritts zu beurtheilen; am allerwenigsten aber Derby auch nicht vermuthen können, daß eine Anhänglichkeit für ihn auf irgend eine Weise Ursache an meinem Mitleiden gewesen sey. Jch sah alles Edle ihrer Beweggründe und dankte ihr zärtlich, daß sie mich nicht nur für künftigen falschen Beurtheilungen schützte, sondern auch der Belästigung des Lobs enthöbe, das man meiner sogenannten Großmuth noch ein- mal geben könnte. Meine Briefe an
Lady
den verblendet. Witz hat die Stelle der Vernunft, eine kalte gezwungene Umar- mung heißt Freundſchaft, Pracht und Aufwand, Gluͤck ‒ ‒ ‒ ‒ O mein Kind, ſollte ich jemals wieder dieſem Kreiſe mich naͤhern, ſo will ich mit einiger Sorge alles vermeiden, was mich in den Stufen mei- ner Erinnerung und meines Ungluͤcks an den Großen und Gluͤcklichen ſchmerzte. Die Graͤfin Douglaß nimmt die kleine Lidy zu ſich; ſie ſagt, ich haͤtte genug fuͤr das Kind gethan, und es ſolle Niemand mehr Anlaß haben, die Uebung der groͤß- ten Tugend als die Folge eines Fehltritts zu beurtheilen; am allerwenigſten aber Derby auch nicht vermuthen koͤnnen, daß eine Anhaͤnglichkeit fuͤr ihn auf irgend eine Weiſe Urſache an meinem Mitleiden geweſen ſey. Jch ſah alles Edle ihrer Beweggruͤnde und dankte ihr zaͤrtlich, daß ſie mich nicht nur fuͤr kuͤnftigen falſchen Beurtheilungen ſchuͤtzte, ſondern auch der Belaͤſtigung des Lobs enthoͤbe, das man meiner ſogenannten Großmuth noch ein- mal geben koͤnnte. Meine Briefe an
Lady
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den verblendet. Witz hat die Stelle der
Vernunft, eine kalte gezwungene Umar-
mung heißt Freundſchaft, Pracht und
Aufwand, Gluͤck ‒ ‒ ‒ ‒ O mein Kind,
ſollte ich jemals wieder dieſem Kreiſe mich
naͤhern, ſo will ich mit einiger Sorge alles
vermeiden, was mich in den Stufen mei-
ner Erinnerung und meines Ungluͤcks
an den Großen und Gluͤcklichen ſchmerzte.
Die Graͤfin Douglaß nimmt die kleine
Lidy zu ſich; ſie ſagt, ich haͤtte genug fuͤr
das Kind gethan, und es ſolle Niemand
mehr Anlaß haben, die Uebung der groͤß-
ten Tugend als die Folge eines Fehltritts
zu beurtheilen; am allerwenigſten aber
Derby auch nicht vermuthen koͤnnen, daß
eine Anhaͤnglichkeit fuͤr ihn auf irgend
eine Weiſe Urſache an meinem Mitleiden
geweſen ſey. Jch ſah alles Edle ihrer
Beweggruͤnde und dankte ihr zaͤrtlich, daß
ſie mich nicht nur fuͤr kuͤnftigen falſchen
Beurtheilungen ſchuͤtzte, ſondern auch der
Belaͤſtigung des Lobs enthoͤbe, das man
meiner ſogenannten Großmuth noch ein-
mal geben koͤnnte. Meine Briefe an
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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