Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

den verblendet. Witz hat die Stelle der
Vernunft, eine kalte gezwungene Umar-
mung heißt Freundschaft, Pracht und
Aufwand, Glück - - - - O mein Kind,
sollte ich jemals wieder diesem Kreise mich
nähern, so will ich mit einiger Sorge alles
vermeiden, was mich in den Stufen mei-
ner Erinnerung und meines Unglücks
an den Großen und Glücklichen schmerzte.
Die Gräfin Douglaß nimmt die kleine
Lidy zu sich; sie sagt, ich hätte genug für
das Kind gethan, und es solle Niemand
mehr Anlaß haben, die Uebung der größ-
ten Tugend als die Folge eines Fehltritts
zu beurtheilen; am allerwenigsten aber
Derby auch nicht vermuthen können, daß
eine Anhänglichkeit für ihn auf irgend
eine Weise Ursache an meinem Mitleiden
gewesen sey. Jch sah alles Edle ihrer
Beweggründe und dankte ihr zärtlich, daß
sie mich nicht nur für künftigen falschen
Beurtheilungen schützte, sondern auch der
Belästigung des Lobs enthöbe, das man
meiner sogenannten Großmuth noch ein-
mal geben könnte. Meine Briefe an

Lady

den verblendet. Witz hat die Stelle der
Vernunft, eine kalte gezwungene Umar-
mung heißt Freundſchaft, Pracht und
Aufwand, Gluͤck ‒ ‒ ‒ ‒ O mein Kind,
ſollte ich jemals wieder dieſem Kreiſe mich
naͤhern, ſo will ich mit einiger Sorge alles
vermeiden, was mich in den Stufen mei-
ner Erinnerung und meines Ungluͤcks
an den Großen und Gluͤcklichen ſchmerzte.
Die Graͤfin Douglaß nimmt die kleine
Lidy zu ſich; ſie ſagt, ich haͤtte genug fuͤr
das Kind gethan, und es ſolle Niemand
mehr Anlaß haben, die Uebung der groͤß-
ten Tugend als die Folge eines Fehltritts
zu beurtheilen; am allerwenigſten aber
Derby auch nicht vermuthen koͤnnen, daß
eine Anhaͤnglichkeit fuͤr ihn auf irgend
eine Weiſe Urſache an meinem Mitleiden
geweſen ſey. Jch ſah alles Edle ihrer
Beweggruͤnde und dankte ihr zaͤrtlich, daß
ſie mich nicht nur fuͤr kuͤnftigen falſchen
Beurtheilungen ſchuͤtzte, ſondern auch der
Belaͤſtigung des Lobs enthoͤbe, das man
meiner ſogenannten Großmuth noch ein-
mal geben koͤnnte. Meine Briefe an

Lady
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0276" n="270"/>
den verblendet. Witz hat die Stelle der<lb/><hi rendition="#fr">Vernunft,</hi> eine kalte gezwungene Umar-<lb/>
mung heißt <hi rendition="#fr">Freund&#x017F;chaft,</hi> Pracht und<lb/>
Aufwand, Glu&#x0364;ck &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; O mein Kind,<lb/>
&#x017F;ollte ich jemals wieder die&#x017F;em Krei&#x017F;e mich<lb/>
na&#x0364;hern, &#x017F;o will ich mit einiger Sorge alles<lb/>
vermeiden, was mich in den Stufen mei-<lb/>
ner Erinnerung und meines Unglu&#x0364;cks<lb/>
an den Großen und Glu&#x0364;cklichen &#x017F;chmerzte.<lb/>
Die Gra&#x0364;fin Douglaß nimmt die kleine<lb/>
Lidy zu &#x017F;ich; &#x017F;ie &#x017F;agt, ich ha&#x0364;tte genug fu&#x0364;r<lb/>
das Kind gethan, und es &#x017F;olle Niemand<lb/>
mehr Anlaß haben, die Uebung der gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Tugend als die Folge eines Fehltritts<lb/>
zu beurtheilen; am allerwenig&#x017F;ten aber<lb/>
Derby auch nicht vermuthen ko&#x0364;nnen, daß<lb/>
eine Anha&#x0364;nglichkeit fu&#x0364;r ihn auf irgend<lb/>
eine Wei&#x017F;e Ur&#x017F;ache an meinem Mitleiden<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ey. Jch &#x017F;ah alles Edle ihrer<lb/>
Beweggru&#x0364;nde und dankte ihr za&#x0364;rtlich, daß<lb/>
&#x017F;ie mich nicht nur fu&#x0364;r ku&#x0364;nftigen fal&#x017F;chen<lb/>
Beurtheilungen &#x017F;chu&#x0364;tzte, &#x017F;ondern auch der<lb/>
Bela&#x0364;&#x017F;tigung des Lobs entho&#x0364;be, das man<lb/>
meiner &#x017F;ogenannten Großmuth noch ein-<lb/>
mal geben ko&#x0364;nnte. Meine Briefe an<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lady</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0276] den verblendet. Witz hat die Stelle der Vernunft, eine kalte gezwungene Umar- mung heißt Freundſchaft, Pracht und Aufwand, Gluͤck ‒ ‒ ‒ ‒ O mein Kind, ſollte ich jemals wieder dieſem Kreiſe mich naͤhern, ſo will ich mit einiger Sorge alles vermeiden, was mich in den Stufen mei- ner Erinnerung und meines Ungluͤcks an den Großen und Gluͤcklichen ſchmerzte. Die Graͤfin Douglaß nimmt die kleine Lidy zu ſich; ſie ſagt, ich haͤtte genug fuͤr das Kind gethan, und es ſolle Niemand mehr Anlaß haben, die Uebung der groͤß- ten Tugend als die Folge eines Fehltritts zu beurtheilen; am allerwenigſten aber Derby auch nicht vermuthen koͤnnen, daß eine Anhaͤnglichkeit fuͤr ihn auf irgend eine Weiſe Urſache an meinem Mitleiden geweſen ſey. Jch ſah alles Edle ihrer Beweggruͤnde und dankte ihr zaͤrtlich, daß ſie mich nicht nur fuͤr kuͤnftigen falſchen Beurtheilungen ſchuͤtzte, ſondern auch der Belaͤſtigung des Lobs enthoͤbe, das man meiner ſogenannten Großmuth noch ein- mal geben koͤnnte. Meine Briefe an Lady

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/276
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/276>, abgerufen am 22.11.2024.