Jch bemerkte, daß ihre Augen auf meine Hand und das Bildniß meiner Mutter geheftet waren; -- da sagte ich ihr, es ist meine Mutter, eine Enkelin von Lord David Watson -- und hier, indem ich die andere Hand erhob, ist mein Vater, ein würdiger Edelmann in Deutschland; schon lange sind beyde in der Ewigkeit, und bald, bald hoffe ich, bey ihnen zu seyn, setzte ich mit gefalteten Händen hinzu. Die Dame weinte, und sagte dem Geistlichen, er sollte meinen Puls fühlen; er thats, und versicherte, daß ich sehr übel wäre. Mit liebreichem Eifer sah sie um sich, und fragte, ob ich nicht weggebracht werden könnte. -- Nicht ohne Lebensgefahr, sagte der Geistli- che -- ach das ist mir leid, sprach die liebe Dame, indem sie mir die Hand drückte. Sie gieng hinaus, und der Geistliche fieng an mit mir zu reden; ich sagte ihm kurz, daß ich aus einer edlen Familie stammte, und durch den schänd- lichen Betrug einer falschen Heurath aus meinem Vaterlande gerissen worden sey;
Myladi
IITheil. Q
Jch bemerkte, daß ihre Augen auf meine Hand und das Bildniß meiner Mutter geheftet waren; — da ſagte ich ihr, es iſt meine Mutter, eine Enkelin von Lord David Watſon — und hier, indem ich die andere Hand erhob, iſt mein Vater, ein wuͤrdiger Edelmann in Deutſchland; ſchon lange ſind beyde in der Ewigkeit, und bald, bald hoffe ich, bey ihnen zu ſeyn, ſetzte ich mit gefalteten Haͤnden hinzu. Die Dame weinte, und ſagte dem Geiſtlichen, er ſollte meinen Puls fuͤhlen; er thats, und verſicherte, daß ich ſehr uͤbel waͤre. Mit liebreichem Eifer ſah ſie um ſich, und fragte, ob ich nicht weggebracht werden koͤnnte. — Nicht ohne Lebensgefahr, ſagte der Geiſtli- che — ach das iſt mir leid, ſprach die liebe Dame, indem ſie mir die Hand druͤckte. Sie gieng hinaus, und der Geiſtliche fieng an mit mir zu reden; ich ſagte ihm kurz, daß ich aus einer edlen Familie ſtammte, und durch den ſchaͤnd- lichen Betrug einer falſchen Heurath aus meinem Vaterlande geriſſen worden ſey;
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IITheil. Q
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Jch bemerkte, daß ihre Augen auf meine
Hand und das Bildniß meiner Mutter
geheftet waren; — da ſagte ich ihr, es
iſt meine Mutter, eine Enkelin von Lord
David Watſon — und hier, indem ich
die andere Hand erhob, iſt mein Vater,
ein wuͤrdiger Edelmann in Deutſchland;
ſchon lange ſind beyde in der Ewigkeit,
und bald, bald hoffe ich, bey ihnen zu
ſeyn, ſetzte ich mit gefalteten Haͤnden
hinzu. Die Dame weinte, und ſagte
dem Geiſtlichen, er ſollte meinen Puls
fuͤhlen; er thats, und verſicherte, daß
ich ſehr uͤbel waͤre. Mit liebreichem Eifer
ſah ſie um ſich, und fragte, ob ich nicht
weggebracht werden koͤnnte. — Nicht
ohne Lebensgefahr, ſagte der Geiſtli-
che — ach das iſt mir leid, ſprach die
liebe Dame, indem ſie mir die Hand
druͤckte. Sie gieng hinaus, und der
Geiſtliche fieng an mit mir zu reden; ich
ſagte ihm kurz, daß ich aus einer edlen
Familie ſtammte, und durch den ſchaͤnd-
lichen Betrug einer falſchen Heurath aus
meinem Vaterlande geriſſen worden ſey;
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/247>, abgerufen am 24.11.2024.
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