Stube meiner Hauswirthe; der Mann hatte lang in den Bleyminen gearbeitet, und ist nun aus Kränklichkeit unvermö- gend dazu geworden, bauet aber mit sei- ner Frau und Kindern ein kleines Stück Feld, das ihm der Graf Hopton nah an einem alten zerfallenen Schlosse gegeben, mit Haber und Hanf an; den Haber sto- ßen sie mit Steinen zum Gebrauch klein, und der Hanf muß sie kleiden. Es sind arme gutartige Leute, deren ganzer Reich- thum wirklich in den wenigen Guineen be- steht, welche sie für meine Verwahrung erhalten haben. Es freute sie, daß ich ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je- des befließ sich, mir Unterricht in ihrer Sprache zu geben, und ich lernte in vier- zehn Tagen so viel davon, um kurze Fra- gen zu machen, und zu beantworten. Die Leute wissen, wie weit sie mich außer dem Hause lassen dürfen, und der Mann führte mich an einem der letzten Herbst- tage etwas weiter hinaus. O! wie arm ist hier die Natur! man sieht, daß ihre Eingeweyde bleyern sind. Mit thränen-
den
Stube meiner Hauswirthe; der Mann hatte lang in den Bleyminen gearbeitet, und iſt nun aus Kraͤnklichkeit unvermoͤ- gend dazu geworden, bauet aber mit ſei- ner Frau und Kindern ein kleines Stuͤck Feld, das ihm der Graf Hopton nah an einem alten zerfallenen Schloſſe gegeben, mit Haber und Hanf an; den Haber ſto- ßen ſie mit Steinen zum Gebrauch klein, und der Hanf muß ſie kleiden. Es ſind arme gutartige Leute, deren ganzer Reich- thum wirklich in den wenigen Guineen be- ſteht, welche ſie fuͤr meine Verwahrung erhalten haben. Es freute ſie, daß ich ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je- des befließ ſich, mir Unterricht in ihrer Sprache zu geben, und ich lernte in vier- zehn Tagen ſo viel davon, um kurze Fra- gen zu machen, und zu beantworten. Die Leute wiſſen, wie weit ſie mich außer dem Hauſe laſſen duͤrfen, und der Mann fuͤhrte mich an einem der letzten Herbſt- tage etwas weiter hinaus. O! wie arm iſt hier die Natur! man ſieht, daß ihre Eingeweyde bleyern ſind. Mit thraͤnen-
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0227"n="221"/>
Stube meiner Hauswirthe; der Mann<lb/>
hatte lang in den Bleyminen gearbeitet,<lb/>
und iſt nun aus Kraͤnklichkeit unvermoͤ-<lb/>
gend dazu geworden, bauet aber mit ſei-<lb/>
ner Frau und Kindern ein kleines Stuͤck<lb/>
Feld, das ihm der Graf Hopton nah an<lb/>
einem alten zerfallenen Schloſſe gegeben,<lb/>
mit Haber und Hanf an; den Haber ſto-<lb/>
ßen ſie mit Steinen zum Gebrauch klein,<lb/>
und der Hanf muß ſie kleiden. Es ſind<lb/>
arme gutartige Leute, deren ganzer Reich-<lb/>
thum wirklich in den wenigen Guineen be-<lb/>ſteht, welche ſie fuͤr meine Verwahrung<lb/>
erhalten haben. Es freute ſie, daß ich<lb/>
ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je-<lb/>
des befließ ſich, mir Unterricht in ihrer<lb/>
Sprache zu geben, und ich lernte in vier-<lb/>
zehn Tagen ſo viel davon, um kurze Fra-<lb/>
gen zu machen, und zu beantworten.<lb/>
Die Leute wiſſen, wie weit ſie mich außer<lb/>
dem Hauſe laſſen duͤrfen, und der Mann<lb/>
fuͤhrte mich an einem der letzten Herbſt-<lb/>
tage etwas weiter hinaus. O! wie arm<lb/>
iſt hier die Natur! man ſieht, daß ihre<lb/>
Eingeweyde bleyern ſind. Mit thraͤnen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[221/0227]
Stube meiner Hauswirthe; der Mann
hatte lang in den Bleyminen gearbeitet,
und iſt nun aus Kraͤnklichkeit unvermoͤ-
gend dazu geworden, bauet aber mit ſei-
ner Frau und Kindern ein kleines Stuͤck
Feld, das ihm der Graf Hopton nah an
einem alten zerfallenen Schloſſe gegeben,
mit Haber und Hanf an; den Haber ſto-
ßen ſie mit Steinen zum Gebrauch klein,
und der Hanf muß ſie kleiden. Es ſind
arme gutartige Leute, deren ganzer Reich-
thum wirklich in den wenigen Guineen be-
ſteht, welche ſie fuͤr meine Verwahrung
erhalten haben. Es freute ſie, daß ich
ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je-
des befließ ſich, mir Unterricht in ihrer
Sprache zu geben, und ich lernte in vier-
zehn Tagen ſo viel davon, um kurze Fra-
gen zu machen, und zu beantworten.
Die Leute wiſſen, wie weit ſie mich außer
dem Hauſe laſſen duͤrfen, und der Mann
fuͤhrte mich an einem der letzten Herbſt-
tage etwas weiter hinaus. O! wie arm
iſt hier die Natur! man ſieht, daß ihre
Eingeweyde bleyern ſind. Mit thraͤnen-
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/227>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.