Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Stube meiner Hauswirthe; der Mann
hatte lang in den Bleyminen gearbeitet,
und ist nun aus Kränklichkeit unvermö-
gend dazu geworden, bauet aber mit sei-
ner Frau und Kindern ein kleines Stück
Feld, das ihm der Graf Hopton nah an
einem alten zerfallenen Schlosse gegeben,
mit Haber und Hanf an; den Haber sto-
ßen sie mit Steinen zum Gebrauch klein,
und der Hanf muß sie kleiden. Es sind
arme gutartige Leute, deren ganzer Reich-
thum wirklich in den wenigen Guineen be-
steht, welche sie für meine Verwahrung
erhalten haben. Es freute sie, daß ich
ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je-
des befließ sich, mir Unterricht in ihrer
Sprache zu geben, und ich lernte in vier-
zehn Tagen so viel davon, um kurze Fra-
gen zu machen, und zu beantworten.
Die Leute wissen, wie weit sie mich außer
dem Hause lassen dürfen, und der Mann
führte mich an einem der letzten Herbst-
tage etwas weiter hinaus. O! wie arm
ist hier die Natur! man sieht, daß ihre
Eingeweyde bleyern sind. Mit thränen-

den

Stube meiner Hauswirthe; der Mann
hatte lang in den Bleyminen gearbeitet,
und iſt nun aus Kraͤnklichkeit unvermoͤ-
gend dazu geworden, bauet aber mit ſei-
ner Frau und Kindern ein kleines Stuͤck
Feld, das ihm der Graf Hopton nah an
einem alten zerfallenen Schloſſe gegeben,
mit Haber und Hanf an; den Haber ſto-
ßen ſie mit Steinen zum Gebrauch klein,
und der Hanf muß ſie kleiden. Es ſind
arme gutartige Leute, deren ganzer Reich-
thum wirklich in den wenigen Guineen be-
ſteht, welche ſie fuͤr meine Verwahrung
erhalten haben. Es freute ſie, daß ich
ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je-
des befließ ſich, mir Unterricht in ihrer
Sprache zu geben, und ich lernte in vier-
zehn Tagen ſo viel davon, um kurze Fra-
gen zu machen, und zu beantworten.
Die Leute wiſſen, wie weit ſie mich außer
dem Hauſe laſſen duͤrfen, und der Mann
fuͤhrte mich an einem der letzten Herbſt-
tage etwas weiter hinaus. O! wie arm
iſt hier die Natur! man ſieht, daß ihre
Eingeweyde bleyern ſind. Mit thraͤnen-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="221"/>
Stube meiner Hauswirthe; der Mann<lb/>
hatte lang in den Bleyminen gearbeitet,<lb/>
und i&#x017F;t nun aus Kra&#x0364;nklichkeit unvermo&#x0364;-<lb/>
gend dazu geworden, bauet aber mit &#x017F;ei-<lb/>
ner Frau und Kindern ein kleines Stu&#x0364;ck<lb/>
Feld, das ihm der Graf Hopton nah an<lb/>
einem alten zerfallenen Schlo&#x017F;&#x017F;e gegeben,<lb/>
mit Haber und Hanf an; den Haber &#x017F;to-<lb/>
ßen &#x017F;ie mit Steinen zum Gebrauch klein,<lb/>
und der Hanf muß &#x017F;ie kleiden. Es &#x017F;ind<lb/>
arme gutartige Leute, deren ganzer Reich-<lb/>
thum wirklich in den wenigen Guineen be-<lb/>
&#x017F;teht, welche &#x017F;ie fu&#x0364;r meine Verwahrung<lb/>
erhalten haben. Es freute &#x017F;ie, daß ich<lb/>
ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je-<lb/>
des befließ &#x017F;ich, mir Unterricht in ihrer<lb/>
Sprache zu geben, und ich lernte in vier-<lb/>
zehn Tagen &#x017F;o viel davon, um kurze Fra-<lb/>
gen zu machen, und zu beantworten.<lb/>
Die Leute wi&#x017F;&#x017F;en, wie weit &#x017F;ie mich außer<lb/>
dem Hau&#x017F;e la&#x017F;&#x017F;en du&#x0364;rfen, und der Mann<lb/>
fu&#x0364;hrte mich an einem der letzten Herb&#x017F;t-<lb/>
tage etwas weiter hinaus. O! wie arm<lb/>
i&#x017F;t hier die Natur! man &#x017F;ieht, daß ihre<lb/>
Eingeweyde bleyern &#x017F;ind. Mit thra&#x0364;nen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0227] Stube meiner Hauswirthe; der Mann hatte lang in den Bleyminen gearbeitet, und iſt nun aus Kraͤnklichkeit unvermoͤ- gend dazu geworden, bauet aber mit ſei- ner Frau und Kindern ein kleines Stuͤck Feld, das ihm der Graf Hopton nah an einem alten zerfallenen Schloſſe gegeben, mit Haber und Hanf an; den Haber ſto- ßen ſie mit Steinen zum Gebrauch klein, und der Hanf muß ſie kleiden. Es ſind arme gutartige Leute, deren ganzer Reich- thum wirklich in den wenigen Guineen be- ſteht, welche ſie fuͤr meine Verwahrung erhalten haben. Es freute ſie, daß ich ruhiger wurde, und zu ihnen kam; Je- des befließ ſich, mir Unterricht in ihrer Sprache zu geben, und ich lernte in vier- zehn Tagen ſo viel davon, um kurze Fra- gen zu machen, und zu beantworten. Die Leute wiſſen, wie weit ſie mich außer dem Hauſe laſſen duͤrfen, und der Mann fuͤhrte mich an einem der letzten Herbſt- tage etwas weiter hinaus. O! wie arm iſt hier die Natur! man ſieht, daß ihre Eingeweyde bleyern ſind. Mit thraͤnen- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/227
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/227>, abgerufen am 22.11.2024.