Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

soll die verdoppelte Gewalt haben, nicht
nur mein äußerliches Ansehen von Glück,
wie ein Räuber ein Kleid von mir zureis-
sen, sondern meine Gesinnungen, die Ue-
bung meiner Pflichten, und die Liebe der
Tugend selbst in meiner Seele zu zerstören?



Glückliche, ja allerglücklichste Stunde
meines Lebens, in der ich mein ganzes
Herz wieder gefunden habe; in welcher
die selige Empfindung wieder in mir er-
wachte, daß auch hier die väterliche Hand
meines Schöpfers für die besten Güter
meiner Seele gesorget hat! Er ist es, der
meinen Verstand von dem Wahnsinne er-
rettete, welcher in den ersten Wochen sich
meiner bemeistern wollte; Er gab meinen
rauhen Wirthen Leutseligkeit und Mitlei-
den für mich; das reine moralische Ge-
fühl meiner Seele erhebt sich allmählig
über die Düsternheit meines Grams; Die
Heiterkeit des Himmels, der diese Einöde
umgiebt, gießt, ob ich ihn schon seuf-
zend anblicke, eben so viel Hoffnung und

Friede

ſoll die verdoppelte Gewalt haben, nicht
nur mein aͤußerliches Anſehen von Gluͤck,
wie ein Raͤuber ein Kleid von mir zureiſ-
ſen, ſondern meine Geſinnungen, die Ue-
bung meiner Pflichten, und die Liebe der
Tugend ſelbſt in meiner Seele zu zerſtoͤren?



Gluͤckliche, ja allergluͤcklichſte Stunde
meines Lebens, in der ich mein ganzes
Herz wieder gefunden habe; in welcher
die ſelige Empfindung wieder in mir er-
wachte, daß auch hier die vaͤterliche Hand
meines Schoͤpfers fuͤr die beſten Guͤter
meiner Seele geſorget hat! Er iſt es, der
meinen Verſtand von dem Wahnſinne er-
rettete, welcher in den erſten Wochen ſich
meiner bemeiſtern wollte; Er gab meinen
rauhen Wirthen Leutſeligkeit und Mitlei-
den fuͤr mich; das reine moraliſche Ge-
fuͤhl meiner Seele erhebt ſich allmaͤhlig
uͤber die Duͤſternheit meines Grams; Die
Heiterkeit des Himmels, der dieſe Einoͤde
umgiebt, gießt, ob ich ihn ſchon ſeuf-
zend anblicke, eben ſo viel Hoffnung und

Friede
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="214"/>
&#x017F;oll die verdoppelte Gewalt haben, nicht<lb/>
nur mein a&#x0364;ußerliches An&#x017F;ehen von Glu&#x0364;ck,<lb/>
wie ein Ra&#x0364;uber ein Kleid von mir zurei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;ondern meine Ge&#x017F;innungen, die Ue-<lb/>
bung meiner Pflichten, und die Liebe der<lb/>
Tugend &#x017F;elb&#x017F;t in meiner Seele zu zer&#x017F;to&#x0364;ren?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Glu&#x0364;ckliche, ja allerglu&#x0364;cklich&#x017F;te Stunde<lb/>
meines Lebens, in der ich mein ganzes<lb/>
Herz wieder gefunden habe; in welcher<lb/>
die &#x017F;elige Empfindung wieder in mir er-<lb/>
wachte, daß auch hier die va&#x0364;terliche Hand<lb/>
meines Scho&#x0364;pfers fu&#x0364;r die be&#x017F;ten Gu&#x0364;ter<lb/>
meiner Seele ge&#x017F;orget hat! Er i&#x017F;t es, der<lb/>
meinen Ver&#x017F;tand von dem Wahn&#x017F;inne er-<lb/>
rettete, welcher in den er&#x017F;ten Wochen &#x017F;ich<lb/>
meiner bemei&#x017F;tern wollte; Er gab meinen<lb/>
rauhen Wirthen Leut&#x017F;eligkeit und Mitlei-<lb/>
den fu&#x0364;r mich; das reine morali&#x017F;che Ge-<lb/>
fu&#x0364;hl meiner Seele erhebt &#x017F;ich allma&#x0364;hlig<lb/>
u&#x0364;ber die Du&#x0364;&#x017F;ternheit meines Grams; Die<lb/>
Heiterkeit des Himmels, der die&#x017F;e Eino&#x0364;de<lb/>
umgiebt, gießt, ob ich ihn &#x017F;chon &#x017F;euf-<lb/>
zend anblicke, eben &#x017F;o viel Hoffnung und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Friede</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0220] ſoll die verdoppelte Gewalt haben, nicht nur mein aͤußerliches Anſehen von Gluͤck, wie ein Raͤuber ein Kleid von mir zureiſ- ſen, ſondern meine Geſinnungen, die Ue- bung meiner Pflichten, und die Liebe der Tugend ſelbſt in meiner Seele zu zerſtoͤren? Gluͤckliche, ja allergluͤcklichſte Stunde meines Lebens, in der ich mein ganzes Herz wieder gefunden habe; in welcher die ſelige Empfindung wieder in mir er- wachte, daß auch hier die vaͤterliche Hand meines Schoͤpfers fuͤr die beſten Guͤter meiner Seele geſorget hat! Er iſt es, der meinen Verſtand von dem Wahnſinne er- rettete, welcher in den erſten Wochen ſich meiner bemeiſtern wollte; Er gab meinen rauhen Wirthen Leutſeligkeit und Mitlei- den fuͤr mich; das reine moraliſche Ge- fuͤhl meiner Seele erhebt ſich allmaͤhlig uͤber die Duͤſternheit meines Grams; Die Heiterkeit des Himmels, der dieſe Einoͤde umgiebt, gießt, ob ich ihn ſchon ſeuf- zend anblicke, eben ſo viel Hoffnung und Friede

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/220
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/220>, abgerufen am 24.11.2024.