lieber sehen, als die überfließende Thräne der kindlichen Dankbarkeit?
Hoffnungslos, aller Ausichten auf Hülfe beraubt, kämpfe ich wider mich selbst; ich werfe mir meine Traurigkeit als ein Vergehen vor, und folge dem Zug zum Schreiben. Eine Empfindung von besserer Zukunft regt sich in mir. -- Ach! redete sie nicht noch lauter in meinen ver- gangenen Tagen? -- Täuschte sie mich nicht? -- Schicksal! hab ich mein Glück gemisbraucht? Hieng mein Herz an dem Schimmer, der mich umgab? Oder ist der Stolz auf die Seele, die ich von dir em- pfieng, mein Verbrechen gewesen? -- Arme, arme Creatur, mit wem rechte ich! Jch beseelte Handvoll Staubes, em- pöre mich wider die Gewalt die mich prüft -- und erhält. Willt du, o mei- ne Seele, willt du durch Murren und Un- geduld das ärgste Uebel in den Kelch mei- nes Leidens gießen? -- Vergieb, o Gott, vergieb mir, und laß mich die Wohlthaten
auf-
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lieber ſehen, als die uͤberfließende Thraͤne der kindlichen Dankbarkeit?
Hoffnungslos, aller Auſichten auf Huͤlfe beraubt, kaͤmpfe ich wider mich ſelbſt; ich werfe mir meine Traurigkeit als ein Vergehen vor, und folge dem Zug zum Schreiben. Eine Empfindung von beſſerer Zukunft regt ſich in mir. — Ach! redete ſie nicht noch lauter in meinen ver- gangenen Tagen? — Taͤuſchte ſie mich nicht? — Schickſal! hab ich mein Gluͤck gemisbraucht? Hieng mein Herz an dem Schimmer, der mich umgab? Oder iſt der Stolz auf die Seele, die ich von dir em- pfieng, mein Verbrechen geweſen? — Arme, arme Creatur, mit wem rechte ich! Jch beſeelte Handvoll Staubes, em- poͤre mich wider die Gewalt die mich pruͤft — und erhaͤlt. Willt du, o mei- ne Seele, willt du durch Murren und Un- geduld das aͤrgſte Uebel in den Kelch mei- nes Leidens gießen? — Vergieb, o Gott, vergieb mir, und laß mich die Wohlthaten
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lieber ſehen, als die uͤberfließende Thraͤne
der kindlichen Dankbarkeit?
Hoffnungslos, aller Auſichten auf
Huͤlfe beraubt, kaͤmpfe ich wider mich
ſelbſt; ich werfe mir meine Traurigkeit als
ein Vergehen vor, und folge dem Zug
zum Schreiben. Eine Empfindung von
beſſerer Zukunft regt ſich in mir. — Ach!
redete ſie nicht noch lauter in meinen ver-
gangenen Tagen? — Taͤuſchte ſie mich
nicht? — Schickſal! hab ich mein Gluͤck
gemisbraucht? Hieng mein Herz an dem
Schimmer, der mich umgab? Oder iſt der
Stolz auf die Seele, die ich von dir em-
pfieng, mein Verbrechen geweſen? —
Arme, arme Creatur, mit wem rechte
ich! Jch beſeelte Handvoll Staubes, em-
poͤre mich wider die Gewalt die mich
pruͤft — und erhaͤlt. Willt du, o mei-
ne Seele, willt du durch Murren und Un-
geduld das aͤrgſte Uebel in den Kelch mei-
nes Leidens gießen? — Vergieb, o Gott,
vergieb mir, und laß mich die Wohlthaten
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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