Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Lords in den Garten zu den Töchtern des
Pfarrers gerufen, just, da sie eben ihren
letzten Brief an meine Emilia endigte;
sie steckte die ganze Rolle des Papiers zu
sich, um zu verhindern, daß man nichts
zum Nachtheil des Lords finden möchte,
gieng gegen den Park zu, und da sie sich
zwanzig Schritte weit an der Seite des
Gartens gegen das Dorf umgesehen hatte,
und niemand erblickte, gieng sie zurück.
Aber plötzlich zeigte sich im Park eine
Weibsperson die ihr winkte; sie eilte ge-
gen ihr; diese Person eilte gleichfalls auf
sie zu, und faßte sie an der Hand; Jm
nehmlichen Augenblicke kamen noch zwo
vermummte Personen, warfen ihr eine
dichte runde Kappe über den Kopf, und
schleppten sie mit Gewalt fort. Jhr hef-
tiges Sträuben, ihre Bemühung zu ru-
fen, war vergebens; man warf sie in eine
Halbschäse, und jagte die ganze Nacht mit
ihr fort. Essen und Trinken bot man ihr
in einem Walde an; sie konnte aber und
mochte nichts als ein Glaß Wasser neh-
men! gleich jagte man wieder weiter;

äußerst

Lords in den Garten zu den Toͤchtern des
Pfarrers gerufen, juſt, da ſie eben ihren
letzten Brief an meine Emilia endigte;
ſie ſteckte die ganze Rolle des Papiers zu
ſich, um zu verhindern, daß man nichts
zum Nachtheil des Lords finden moͤchte,
gieng gegen den Park zu, und da ſie ſich
zwanzig Schritte weit an der Seite des
Gartens gegen das Dorf umgeſehen hatte,
und niemand erblickte, gieng ſie zuruͤck.
Aber ploͤtzlich zeigte ſich im Park eine
Weibsperſon die ihr winkte; ſie eilte ge-
gen ihr; dieſe Perſon eilte gleichfalls auf
ſie zu, und faßte ſie an der Hand; Jm
nehmlichen Augenblicke kamen noch zwo
vermummte Perſonen, warfen ihr eine
dichte runde Kappe uͤber den Kopf, und
ſchleppten ſie mit Gewalt fort. Jhr hef-
tiges Straͤuben, ihre Bemuͤhung zu ru-
fen, war vergebens; man warf ſie in eine
Halbſchaͤſe, und jagte die ganze Nacht mit
ihr fort. Eſſen und Trinken bot man ihr
in einem Walde an; ſie konnte aber und
mochte nichts als ein Glaß Waſſer neh-
men! gleich jagte man wieder weiter;

aͤußerſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="206"/>
Lords in den Garten zu den To&#x0364;chtern des<lb/>
Pfarrers gerufen, ju&#x017F;t, da &#x017F;ie eben ihren<lb/>
letzten Brief an meine Emilia endigte;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;teckte die ganze Rolle des Papiers zu<lb/>
&#x017F;ich, um zu verhindern, daß man nichts<lb/>
zum Nachtheil des Lords finden mo&#x0364;chte,<lb/>
gieng gegen den Park zu, und da &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
zwanzig Schritte weit an der Seite des<lb/>
Gartens gegen das Dorf umge&#x017F;ehen hatte,<lb/>
und niemand erblickte, gieng &#x017F;ie zuru&#x0364;ck.<lb/>
Aber plo&#x0364;tzlich zeigte &#x017F;ich im Park eine<lb/>
Weibsper&#x017F;on die ihr winkte; &#x017F;ie eilte ge-<lb/>
gen ihr; die&#x017F;e Per&#x017F;on eilte gleichfalls auf<lb/>
&#x017F;ie zu, und faßte &#x017F;ie an der Hand; Jm<lb/>
nehmlichen Augenblicke kamen noch zwo<lb/>
vermummte Per&#x017F;onen, warfen ihr eine<lb/>
dichte runde Kappe u&#x0364;ber den Kopf, und<lb/>
&#x017F;chleppten &#x017F;ie mit Gewalt fort. Jhr hef-<lb/>
tiges Stra&#x0364;uben, ihre Bemu&#x0364;hung zu ru-<lb/>
fen, war vergebens; man warf &#x017F;ie in eine<lb/>
Halb&#x017F;cha&#x0364;&#x017F;e, und jagte die ganze Nacht mit<lb/>
ihr fort. E&#x017F;&#x017F;en und Trinken bot man ihr<lb/>
in einem Walde an; &#x017F;ie konnte aber und<lb/>
mochte nichts als ein Glaß Wa&#x017F;&#x017F;er neh-<lb/>
men! gleich jagte man wieder weiter;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">a&#x0364;ußer&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0212] Lords in den Garten zu den Toͤchtern des Pfarrers gerufen, juſt, da ſie eben ihren letzten Brief an meine Emilia endigte; ſie ſteckte die ganze Rolle des Papiers zu ſich, um zu verhindern, daß man nichts zum Nachtheil des Lords finden moͤchte, gieng gegen den Park zu, und da ſie ſich zwanzig Schritte weit an der Seite des Gartens gegen das Dorf umgeſehen hatte, und niemand erblickte, gieng ſie zuruͤck. Aber ploͤtzlich zeigte ſich im Park eine Weibsperſon die ihr winkte; ſie eilte ge- gen ihr; dieſe Perſon eilte gleichfalls auf ſie zu, und faßte ſie an der Hand; Jm nehmlichen Augenblicke kamen noch zwo vermummte Perſonen, warfen ihr eine dichte runde Kappe uͤber den Kopf, und ſchleppten ſie mit Gewalt fort. Jhr hef- tiges Straͤuben, ihre Bemuͤhung zu ru- fen, war vergebens; man warf ſie in eine Halbſchaͤſe, und jagte die ganze Nacht mit ihr fort. Eſſen und Trinken bot man ihr in einem Walde an; ſie konnte aber und mochte nichts als ein Glaß Waſſer neh- men! gleich jagte man wieder weiter; aͤußerſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/212
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/212>, abgerufen am 24.11.2024.