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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Leiden, die Ueberreste einer ehemals lä-
chelnden Einbildungskraft verwenden.
Hören Sie, meine Emilia, hören Sie
was für eine Rückkehr das Unglück
macht, das Jhre Jugendfreundinn ver-
folgt. Vor einigen Tagen mußte ich die
ganze Geschichte von Lord Richs Her-
zen anhören; ihr letzter Theil enthielt
die Abschilderung seiner Liebe für mich.
"Es ist, spricht er, die Leidenschaft ei-
nes fünf und vierzig jährigen Mannes,
die durch die Vernunft in sein Herz ge-
bracht wurde, alle Kräfte meiner Erfah-
rung, meiner Kenntniß der Menschen be-
stärken sie." -- Theurer Lord Rich, Sie
betrügen sich; niemals hat die Vernunft
für die Liebe gegen die Freundschaft ge-
sprochen; Sie besitzen den höchsten Grad
dieser edlen Neigung in meinem Herzen;
lassen Sie -- "Nichts mehr Madam Lei-
dens, ehe Sie mich angehört haben.
Meine Vernunft machte mich zu Jhrem
Freund, und wieß Jhnen in meiner Hoch-
achtung einen Platz an, den ich auch dem
Verdienste eines Mannes würde gegeben

haben."

Leiden, die Ueberreſte einer ehemals laͤ-
chelnden Einbildungskraft verwenden.
Hoͤren Sie, meine Emilia, hoͤren Sie
was fuͤr eine Ruͤckkehr das Ungluͤck
macht, das Jhre Jugendfreundinn ver-
folgt. Vor einigen Tagen mußte ich die
ganze Geſchichte von Lord Richs Her-
zen anhoͤren; ihr letzter Theil enthielt
die Abſchilderung ſeiner Liebe fuͤr mich.
„Es iſt, ſpricht er, die Leidenſchaft ei-
nes fuͤnf und vierzig jaͤhrigen Mannes,
die durch die Vernunft in ſein Herz ge-
bracht wurde, alle Kraͤfte meiner Erfah-
rung, meiner Kenntniß der Menſchen be-
ſtaͤrken ſie.“ — Theurer Lord Rich, Sie
betruͤgen ſich; niemals hat die Vernunft
fuͤr die Liebe gegen die Freundſchaft ge-
ſprochen; Sie beſitzen den hoͤchſten Grad
dieſer edlen Neigung in meinem Herzen;
laſſen Sie — „Nichts mehr Madam Lei-
dens, ehe Sie mich angehoͤrt haben.
Meine Vernunft machte mich zu Jhrem
Freund, und wieß Jhnen in meiner Hoch-
achtung einen Platz an, den ich auch dem
Verdienſte eines Mannes wuͤrde gegeben

haben.“
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[186/0192] Leiden, die Ueberreſte einer ehemals laͤ- chelnden Einbildungskraft verwenden. Hoͤren Sie, meine Emilia, hoͤren Sie was fuͤr eine Ruͤckkehr das Ungluͤck macht, das Jhre Jugendfreundinn ver- folgt. Vor einigen Tagen mußte ich die ganze Geſchichte von Lord Richs Her- zen anhoͤren; ihr letzter Theil enthielt die Abſchilderung ſeiner Liebe fuͤr mich. „Es iſt, ſpricht er, die Leidenſchaft ei- nes fuͤnf und vierzig jaͤhrigen Mannes, die durch die Vernunft in ſein Herz ge- bracht wurde, alle Kraͤfte meiner Erfah- rung, meiner Kenntniß der Menſchen be- ſtaͤrken ſie.“ — Theurer Lord Rich, Sie betruͤgen ſich; niemals hat die Vernunft fuͤr die Liebe gegen die Freundſchaft ge- ſprochen; Sie beſitzen den hoͤchſten Grad dieſer edlen Neigung in meinem Herzen; laſſen Sie — „Nichts mehr Madam Lei- dens, ehe Sie mich angehoͤrt haben. Meine Vernunft machte mich zu Jhrem Freund, und wieß Jhnen in meiner Hoch- achtung einen Platz an, den ich auch dem Verdienſte eines Mannes wuͤrde gegeben haben.“

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/192>, abgerufen am 27.11.2024.