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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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"rer Gefälligkeit, welche sie uns mitten
"aus dem dichten Nebel darbietet, der
"ihr ursprüngliches Land beständig um-
"giebt." -- Jch fand mich in Verlegen-
heit, und wollte mir durch den Witz hel-
fen lassen, der ihn fragte: ob er denn
meinen Geist für benebelt hielte? -- Er
sah mich durchdringend und zärtlich an;
gewiß nicht auf die Art, wie Sie meynen,
sagte er; beweist nicht diese Thräne in
Jhren Augen, daß ich Recht hätte, da
ich Jhren Geist für umwölkt hielte? Denn
warum kann die kleinste Bewegung Jhrer
Seele diesen Nebel, wovon ich rede, in
Wassertropfen verwandeln? Aber liebe
Madam Leidens, ich will niemals mehr
davon sprechen; aber fragen Sie auch
mein Herz nicht mehr um sein Urtheil
von dem Jhrigen.

Sehen Sie, Emilia, wie viel mir mit
Jhnen fehlt; alle Empfindungen, die sich
in mir zusammen dringen, würde ich Jh-
nen sagen; da wäre mein Herz erleichtert,
und schien nicht durch diesen bemerkten
Nebel hindurch. Jch war froh, mich

genug
L 4


„rer Gefaͤlligkeit, welche ſie uns mitten
„aus dem dichten Nebel darbietet, der
„ihr urſpruͤngliches Land beſtaͤndig um-
„giebt.“ — Jch fand mich in Verlegen-
heit, und wollte mir durch den Witz hel-
fen laſſen, der ihn fragte: ob er denn
meinen Geiſt fuͤr benebelt hielte? — Er
ſah mich durchdringend und zaͤrtlich an;
gewiß nicht auf die Art, wie Sie meynen,
ſagte er; beweiſt nicht dieſe Thraͤne in
Jhren Augen, daß ich Recht haͤtte, da
ich Jhren Geiſt fuͤr umwoͤlkt hielte? Denn
warum kann die kleinſte Bewegung Jhrer
Seele dieſen Nebel, wovon ich rede, in
Waſſertropfen verwandeln? Aber liebe
Madam Leidens, ich will niemals mehr
davon ſprechen; aber fragen Sie auch
mein Herz nicht mehr um ſein Urtheil
von dem Jhrigen.

Sehen Sie, Emilia, wie viel mir mit
Jhnen fehlt; alle Empfindungen, die ſich
in mir zuſammen dringen, wuͤrde ich Jh-
nen ſagen; da waͤre mein Herz erleichtert,
und ſchien nicht durch dieſen bemerkten
Nebel hindurch. Jch war froh, mich

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L 4
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[167/0173] „rer Gefaͤlligkeit, welche ſie uns mitten „aus dem dichten Nebel darbietet, der „ihr urſpruͤngliches Land beſtaͤndig um- „giebt.“ — Jch fand mich in Verlegen- heit, und wollte mir durch den Witz hel- fen laſſen, der ihn fragte: ob er denn meinen Geiſt fuͤr benebelt hielte? — Er ſah mich durchdringend und zaͤrtlich an; gewiß nicht auf die Art, wie Sie meynen, ſagte er; beweiſt nicht dieſe Thraͤne in Jhren Augen, daß ich Recht haͤtte, da ich Jhren Geiſt fuͤr umwoͤlkt hielte? Denn warum kann die kleinſte Bewegung Jhrer Seele dieſen Nebel, wovon ich rede, in Waſſertropfen verwandeln? Aber liebe Madam Leidens, ich will niemals mehr davon ſprechen; aber fragen Sie auch mein Herz nicht mehr um ſein Urtheil von dem Jhrigen. Sehen Sie, Emilia, wie viel mir mit Jhnen fehlt; alle Empfindungen, die ſich in mir zuſammen dringen, wuͤrde ich Jh- nen ſagen; da waͤre mein Herz erleichtert, und ſchien nicht durch dieſen bemerkten Nebel hindurch. Jch war froh, mich genug L 4

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/173>, abgerufen am 24.11.2024.