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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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mich stärker zu ihr, als zu allem, was ich
jemals geliebt habe, zogen.

Mylord fand mich am Morgen in ei-
nem Fieber; sein Wundarzt mußte mir
eine Ader öffnen, und eine Stunde her-
nach folgte ich ihm in dem Wagen, nach-
dem ich die kleine Zeichnung des Gärtchens
geraubt, und dem Mädchen, welches die
Schülerinn meiner Sternheim gewesen, ei-
nige Guineen zugeworfen hatte.

Die Kälte, welche die Politik ohnver-
merkt bald in größerem, bald in kleinerem
Maaße auch in das wärmste Herz zu
gießen pflegt, und es über einzelne Uebel
hinaus gehen heißt, gab Mylorden eine
Menge Vernunftgründe ein, womit er
mich zu zerstreuen, und gegen meinen
Kummer und Zorn zu bewaffnen suchte.
Jch mußte ihn anhören und schweigen;
aber Nachts hielt mich mein Küssen schad-
los; ich zehrte mich ab, und erschöpfte
mich. Mein Schmerz ist ruhiger, und
meine Kräfte erhohlen sich in dem Vor-
satze, das Unglück des Fräuleins an Der-
by zu rächen, wenn er auch den ersten

Nang


mich ſtaͤrker zu ihr, als zu allem, was ich
jemals geliebt habe, zogen.

Mylord fand mich am Morgen in ei-
nem Fieber; ſein Wundarzt mußte mir
eine Ader oͤffnen, und eine Stunde her-
nach folgte ich ihm in dem Wagen, nach-
dem ich die kleine Zeichnung des Gaͤrtchens
geraubt, und dem Maͤdchen, welches die
Schuͤlerinn meiner Sternheim geweſen, ei-
nige Guineen zugeworfen hatte.

Die Kaͤlte, welche die Politik ohnver-
merkt bald in groͤßerem, bald in kleinerem
Maaße auch in das waͤrmſte Herz zu
gießen pflegt, und es uͤber einzelne Uebel
hinaus gehen heißt, gab Mylorden eine
Menge Vernunftgruͤnde ein, womit er
mich zu zerſtreuen, und gegen meinen
Kummer und Zorn zu bewaffnen ſuchte.
Jch mußte ihn anhoͤren und ſchweigen;
aber Nachts hielt mich mein Kuͤſſen ſchad-
los; ich zehrte mich ab, und erſchoͤpfte
mich. Mein Schmerz iſt ruhiger, und
meine Kraͤfte erhohlen ſich in dem Vor-
ſatze, das Ungluͤck des Fraͤuleins an Der-
by zu raͤchen, wenn er auch den erſten

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[128/0134] mich ſtaͤrker zu ihr, als zu allem, was ich jemals geliebt habe, zogen. Mylord fand mich am Morgen in ei- nem Fieber; ſein Wundarzt mußte mir eine Ader oͤffnen, und eine Stunde her- nach folgte ich ihm in dem Wagen, nach- dem ich die kleine Zeichnung des Gaͤrtchens geraubt, und dem Maͤdchen, welches die Schuͤlerinn meiner Sternheim geweſen, ei- nige Guineen zugeworfen hatte. Die Kaͤlte, welche die Politik ohnver- merkt bald in groͤßerem, bald in kleinerem Maaße auch in das waͤrmſte Herz zu gießen pflegt, und es uͤber einzelne Uebel hinaus gehen heißt, gab Mylorden eine Menge Vernunftgruͤnde ein, womit er mich zu zerſtreuen, und gegen meinen Kummer und Zorn zu bewaffnen ſuchte. Jch mußte ihn anhoͤren und ſchweigen; aber Nachts hielt mich mein Kuͤſſen ſchad- los; ich zehrte mich ab, und erſchoͤpfte mich. Mein Schmerz iſt ruhiger, und meine Kraͤfte erhohlen ſich in dem Vor- ſatze, das Ungluͤck des Fraͤuleins an Der- by zu raͤchen, wenn er auch den erſten Nang

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/134>, abgerufen am 24.11.2024.