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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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gewohnt war, den wüthenden Aufwal-
lungen des Pöbels nachzugeben, winkte
ganz ruhig dem Sohne, und fragte ihn
um die Ursache der Abneigung und der
Vorwürfe meiner Mutter.

"Vor einem halben Jahre, antwortete
"dieser, führte ein Engländer seine Frau,
"eine schöne gütige Dame, zu uns; er
"gieng weg und kam wieder, nachdem er
"viele Wochen weggewesen, indessen hatte
"die junge Frau, die immer sehr traurig
"war, meine Baasen gekleidet, sie viele
"hübsche Sachen gelehret, und den Ar-
"men viel Gutes gethan; o, sie war so
"sanft als ein Lamm! sogar mein Va-
"ter wurde sanft seit sie in unserm Hause
"war; wir mußten sie alle lieben. Aber
"einen Tag, da der böse Lord lange weg
"gewesen, kam einer seiner Leute geritten,
"und sagte, er hätte Briefe an die Da-
"me; wir fragten; ob sein Herr bald kä-
"me? nein -- sagt' er, Er kömmt nicht
"wieder; hier ist noch Geld für den übri-
"gen Monat; und dieß sagte er wild und
"trotzig, wie ein böser Hund. Meiner

"Mut-


gewohnt war, den wuͤthenden Aufwal-
lungen des Poͤbels nachzugeben, winkte
ganz ruhig dem Sohne, und fragte ihn
um die Urſache der Abneigung und der
Vorwuͤrfe meiner Mutter.

„Vor einem halben Jahre, antwortete
„dieſer, fuͤhrte ein Englaͤnder ſeine Frau,
„eine ſchoͤne guͤtige Dame, zu uns; er
„gieng weg und kam wieder, nachdem er
„viele Wochen weggeweſen, indeſſen hatte
„die junge Frau, die immer ſehr traurig
„war, meine Baaſen gekleidet, ſie viele
„huͤbſche Sachen gelehret, und den Ar-
„men viel Gutes gethan; o, ſie war ſo
„ſanft als ein Lamm! ſogar mein Va-
„ter wurde ſanft ſeit ſie in unſerm Hauſe
„war; wir mußten ſie alle lieben. Aber
„einen Tag, da der boͤſe Lord lange weg
„geweſen, kam einer ſeiner Leute geritten,
„und ſagte, er haͤtte Briefe an die Da-
„me; wir fragten; ob ſein Herr bald kaͤ-
„me? nein — ſagt’ er, Er koͤmmt nicht
„wieder; hier iſt noch Geld fuͤr den uͤbri-
„gen Monat; und dieß ſagte er wild und
„trotzig, wie ein boͤſer Hund. Meiner

„Mut-
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[120/0126] gewohnt war, den wuͤthenden Aufwal- lungen des Poͤbels nachzugeben, winkte ganz ruhig dem Sohne, und fragte ihn um die Urſache der Abneigung und der Vorwuͤrfe meiner Mutter. „Vor einem halben Jahre, antwortete „dieſer, fuͤhrte ein Englaͤnder ſeine Frau, „eine ſchoͤne guͤtige Dame, zu uns; er „gieng weg und kam wieder, nachdem er „viele Wochen weggeweſen, indeſſen hatte „die junge Frau, die immer ſehr traurig „war, meine Baaſen gekleidet, ſie viele „huͤbſche Sachen gelehret, und den Ar- „men viel Gutes gethan; o, ſie war ſo „ſanft als ein Lamm! ſogar mein Va- „ter wurde ſanft ſeit ſie in unſerm Hauſe „war; wir mußten ſie alle lieben. Aber „einen Tag, da der boͤſe Lord lange weg „geweſen, kam einer ſeiner Leute geritten, „und ſagte, er haͤtte Briefe an die Da- „me; wir fragten; ob ſein Herr bald kaͤ- „me? nein — ſagt’ er, Er koͤmmt nicht „wieder; hier iſt noch Geld fuͤr den uͤbri- „gen Monat; und dieß ſagte er wild und „trotzig, wie ein boͤſer Hund. Meiner „Mut-

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/126>, abgerufen am 22.11.2024.