Jungfer Lehne sagte: daß alles gut fortgehe, und ist daselbst ungemein ver- gnügt, da sie wegen ihrer Aufsicht und Probe einer wahren Freundschaft so sehr gelobt wird.
Jch habe das Haus mit Thränen ver- lassen, und werde alle Woche zween halbe Tage hingehen. Die vierzehn Ta- ge, die ich da zubrachte, flossen voll Un- schuld und Friede dahin; eine jede Minute davon, war mit einer übenden Tugend erfüllt, da ich Gutes that und Gutes lehrte. Nun bitten Sie Gott, liebste Emilia, daß er diese kleine Saat meiner verarmten Hand zur reichen Aernte für das Wohl dieser Familie werden lasse. Niemals, nein, niemals haben mir die Ein- künfte meiner Güter, welche mich in Stand setzten, dem Armen durch Geldgaben zu Hülfe zu kommen, so viel wahre Freude gegeben, als der Gedanke: daß mein Herz ohne Gold, allein durch Mittheilung meiner Talente, meiner Gesinnungen, und etlicher Tage meines Lebens, das Beste für diese Familie gethan hat.
Meine
G 4
Jungfer Lehne ſagte: daß alles gut fortgehe, und iſt daſelbſt ungemein ver- gnuͤgt, da ſie wegen ihrer Aufſicht und Probe einer wahren Freundſchaft ſo ſehr gelobt wird.
Jch habe das Haus mit Thraͤnen ver- laſſen, und werde alle Woche zween halbe Tage hingehen. Die vierzehn Ta- ge, die ich da zubrachte, floſſen voll Un- ſchuld und Friede dahin; eine jede Minute davon, war mit einer uͤbenden Tugend erfuͤllt, da ich Gutes that und Gutes lehrte. Nun bitten Sie Gott, liebſte Emilia, daß er dieſe kleine Saat meiner verarmten Hand zur reichen Aernte fuͤr das Wohl dieſer Familie werden laſſe. Niemals, nein, niemals haben mir die Ein- kuͤnfte meiner Guͤter, welche mich in Stand ſetzten, dem Armen durch Geldgaben zu Huͤlfe zu kommen, ſo viel wahre Freude gegeben, als der Gedanke: daß mein Herz ohne Gold, allein durch Mittheilung meiner Talente, meiner Geſinnungen, und etlicher Tage meines Lebens, das Beſte fuͤr dieſe Familie gethan hat.
Meine
G 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0109"n="103"/><fwplace="top"type="header"><lb/></fw><p>Jungfer Lehne ſagte: daß alles gut<lb/>
fortgehe, und iſt daſelbſt ungemein ver-<lb/>
gnuͤgt, da ſie wegen ihrer Aufſicht und<lb/>
Probe einer wahren Freundſchaft ſo ſehr<lb/>
gelobt wird.</p><lb/><p>Jch habe das Haus mit Thraͤnen ver-<lb/>
laſſen, und werde alle Woche zween<lb/>
halbe Tage hingehen. Die vierzehn Ta-<lb/>
ge, die ich da zubrachte, floſſen voll Un-<lb/>ſchuld und Friede dahin; eine jede Minute<lb/>
davon, war mit einer uͤbenden Tugend<lb/>
erfuͤllt, da ich Gutes that und Gutes<lb/>
lehrte. Nun bitten Sie Gott, liebſte<lb/>
Emilia, daß er dieſe kleine Saat meiner<lb/>
verarmten Hand zur reichen Aernte fuͤr<lb/>
das Wohl dieſer Familie werden laſſe.<lb/>
Niemals, nein, niemals haben mir die Ein-<lb/>
kuͤnfte meiner Guͤter, welche mich in Stand<lb/>ſetzten, dem Armen durch Geldgaben zu<lb/>
Huͤlfe zu kommen, ſo viel wahre Freude<lb/>
gegeben, als der Gedanke: daß mein<lb/>
Herz ohne Gold, allein durch Mittheilung<lb/>
meiner Talente, meiner Geſinnungen,<lb/>
und etlicher Tage meines Lebens, das<lb/>
Beſte fuͤr dieſe Familie gethan hat.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Meine</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[103/0109]
Jungfer Lehne ſagte: daß alles gut
fortgehe, und iſt daſelbſt ungemein ver-
gnuͤgt, da ſie wegen ihrer Aufſicht und
Probe einer wahren Freundſchaft ſo ſehr
gelobt wird.
Jch habe das Haus mit Thraͤnen ver-
laſſen, und werde alle Woche zween
halbe Tage hingehen. Die vierzehn Ta-
ge, die ich da zubrachte, floſſen voll Un-
ſchuld und Friede dahin; eine jede Minute
davon, war mit einer uͤbenden Tugend
erfuͤllt, da ich Gutes that und Gutes
lehrte. Nun bitten Sie Gott, liebſte
Emilia, daß er dieſe kleine Saat meiner
verarmten Hand zur reichen Aernte fuͤr
das Wohl dieſer Familie werden laſſe.
Niemals, nein, niemals haben mir die Ein-
kuͤnfte meiner Guͤter, welche mich in Stand
ſetzten, dem Armen durch Geldgaben zu
Huͤlfe zu kommen, ſo viel wahre Freude
gegeben, als der Gedanke: daß mein
Herz ohne Gold, allein durch Mittheilung
meiner Talente, meiner Geſinnungen,
und etlicher Tage meines Lebens, das
Beſte fuͤr dieſe Familie gethan hat.
Meine
G 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/109>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.