Unter dem Arbeiten machte ich sie durch Hülfe der Religion mit dem beruhigenden Vergnügen bekannt, welches die Betrach- tung der Natur in verschiedenem Maaße in unser Herz gießt. Frau Hills schaffte Bücher an, die ich ausgesucht hatte, und die beyden Söhne mußten wechselsweise etwas daraus vorlesen, wobey ich die Kinder immer Betrachtungen und Anwen- dungen machen lehrte. Die zwo ältesten Mädchen haben viel Geschicke und Ver- stand. Jch lehrte sie meine Tapetenar- beit, und die älteste Zeichnungen dazu zu machen. Jch ermunterte ihren Fleiß durch den Stolz, indem ich ihnen sagte: daß sie diese Arbeit entweder ganz an Kaufleute verhandeln, oder sich um die Hälfte wieder neue Wolle schaffen, und für die andre etwas eintauschen könnten, so ihnen nöthig wäre; ich versprach ihnen auch, diese Arbeit sonst niemanden zu leh- ren. Nun sitzen des Tages die zwo Mäd- chen und die Mutter daran, weil die Vor- stellung vom Verhandeln ihrer Eitelkeit schmeichelt.
Jungfer
Unter dem Arbeiten machte ich ſie durch Huͤlfe der Religion mit dem beruhigenden Vergnuͤgen bekannt, welches die Betrach- tung der Natur in verſchiedenem Maaße in unſer Herz gießt. Frau Hills ſchaffte Buͤcher an, die ich ausgeſucht hatte, und die beyden Soͤhne mußten wechſelsweiſe etwas daraus vorleſen, wobey ich die Kinder immer Betrachtungen und Anwen- dungen machen lehrte. Die zwo aͤlteſten Maͤdchen haben viel Geſchicke und Ver- ſtand. Jch lehrte ſie meine Tapetenar- beit, und die aͤlteſte Zeichnungen dazu zu machen. Jch ermunterte ihren Fleiß durch den Stolz, indem ich ihnen ſagte: daß ſie dieſe Arbeit entweder ganz an Kaufleute verhandeln, oder ſich um die Haͤlfte wieder neue Wolle ſchaffen, und fuͤr die andre etwas eintauſchen koͤnnten, ſo ihnen noͤthig waͤre; ich verſprach ihnen auch, dieſe Arbeit ſonſt niemanden zu leh- ren. Nun ſitzen des Tages die zwo Maͤd- chen und die Mutter daran, weil die Vor- ſtellung vom Verhandeln ihrer Eitelkeit ſchmeichelt.
Jungfer
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[102/0108]
Unter dem Arbeiten machte ich ſie durch
Huͤlfe der Religion mit dem beruhigenden
Vergnuͤgen bekannt, welches die Betrach-
tung der Natur in verſchiedenem Maaße
in unſer Herz gießt. Frau Hills ſchaffte
Buͤcher an, die ich ausgeſucht hatte, und
die beyden Soͤhne mußten wechſelsweiſe
etwas daraus vorleſen, wobey ich die
Kinder immer Betrachtungen und Anwen-
dungen machen lehrte. Die zwo aͤlteſten
Maͤdchen haben viel Geſchicke und Ver-
ſtand. Jch lehrte ſie meine Tapetenar-
beit, und die aͤlteſte Zeichnungen dazu zu
machen. Jch ermunterte ihren Fleiß
durch den Stolz, indem ich ihnen ſagte:
daß ſie dieſe Arbeit entweder ganz an
Kaufleute verhandeln, oder ſich um die
Haͤlfte wieder neue Wolle ſchaffen, und
fuͤr die andre etwas eintauſchen koͤnnten,
ſo ihnen noͤthig waͤre; ich verſprach ihnen
auch, dieſe Arbeit ſonſt niemanden zu leh-
ren. Nun ſitzen des Tages die zwo Maͤd-
chen und die Mutter daran, weil die Vor-
ſtellung vom Verhandeln ihrer Eitelkeit
ſchmeichelt.
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/108>, abgerufen am 24.11.2024.
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