leitet. -- Wären erst ihre Herzen durch Erkänntniß der wohlthätigen Hand ihres Schöpfers geöffnet, und durch historische Vergleichungen von ihrem Wohnplatz und ihren Umständen mit dem Aufenthalt und den Umständen andrer Menschen, die eben so, wie sie, Geschöpfe Gottes sind, zufrieden gestellt; so zeigte man ihnen auch die moralische Seite der Welt, und die Verbindlichkeiten, welche sie darinn zu einem ruhigen Leben für sich selbst, zum Besten der ihrigen, und zur Versicherung eines ewigen Wohlstandes zu erfüllen ha- ben. Wenn mein Pfarrer nur mit dem guten Bezeugen der letzten Lebenstage sei- ner Pfarrkinder zufrieden ist, so werde ich sehr unzufrieden mit ihm seyn. Und wenn er die Besserung der Gemüther nur durch so genannte Gesetz- und Strafpredig- ten erhalten will, ohne den Verstand zu öffnen und zu überzeugen, so wird er auch nicht mein Pfarrer seyn. -- Wenn er aufmerksamer auf den Fleiß im Kirchen- gehen ist, als auf die Handlungen des täglichen Lebens; so werde ich ihn für kei-
nen
leitet. — Waͤren erſt ihre Herzen durch Erkaͤnntniß der wohlthaͤtigen Hand ihres Schoͤpfers geoͤffnet, und durch hiſtoriſche Vergleichungen von ihrem Wohnplatz und ihren Umſtaͤnden mit dem Aufenthalt und den Umſtaͤnden andrer Menſchen, die eben ſo, wie ſie, Geſchoͤpfe Gottes ſind, zufrieden geſtellt; ſo zeigte man ihnen auch die moraliſche Seite der Welt, und die Verbindlichkeiten, welche ſie darinn zu einem ruhigen Leben fuͤr ſich ſelbſt, zum Beſten der ihrigen, und zur Verſicherung eines ewigen Wohlſtandes zu erfuͤllen ha- ben. Wenn mein Pfarrer nur mit dem guten Bezeugen der letzten Lebenstage ſei- ner Pfarrkinder zufrieden iſt, ſo werde ich ſehr unzufrieden mit ihm ſeyn. Und wenn er die Beſſerung der Gemuͤther nur durch ſo genannte Geſetz- und Strafpredig- ten erhalten will, ohne den Verſtand zu oͤffnen und zu uͤberzeugen, ſo wird er auch nicht mein Pfarrer ſeyn. — Wenn er aufmerkſamer auf den Fleiß im Kirchen- gehen iſt, als auf die Handlungen des taͤglichen Lebens; ſo werde ich ihn fuͤr kei-
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leitet. — Waͤren erſt ihre Herzen durch
Erkaͤnntniß der wohlthaͤtigen Hand ihres
Schoͤpfers geoͤffnet, und durch hiſtoriſche
Vergleichungen von ihrem Wohnplatz und
ihren Umſtaͤnden mit dem Aufenthalt und
den Umſtaͤnden andrer Menſchen, die
eben ſo, wie ſie, Geſchoͤpfe Gottes ſind,
zufrieden geſtellt; ſo zeigte man ihnen auch
die moraliſche Seite der Welt, und
die Verbindlichkeiten, welche ſie darinn zu
einem ruhigen Leben fuͤr ſich ſelbſt, zum
Beſten der ihrigen, und zur Verſicherung
eines ewigen Wohlſtandes zu erfuͤllen ha-
ben. Wenn mein Pfarrer nur mit dem
guten Bezeugen der letzten Lebenstage ſei-
ner Pfarrkinder zufrieden iſt, ſo werde ich
ſehr unzufrieden mit ihm ſeyn. Und wenn
er die Beſſerung der Gemuͤther nur durch
ſo genannte Geſetz- und Strafpredig-
ten erhalten will, ohne den Verſtand zu
oͤffnen und zu uͤberzeugen, ſo wird er
auch nicht mein Pfarrer ſeyn. — Wenn
er aufmerkſamer auf den Fleiß im Kirchen-
gehen iſt, als auf die Handlungen des
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/76>, abgerufen am 22.11.2024.
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