hen, betrachtete mich mit zärtlicher Un- ruhe, und sagte:
Sie sind nachdenklich, liebste Gemah- lin! darf ich Sie stören?
Jch konnte nicht antworten, reichte ihm aber meine Hand. Er küßte sie, und nachdem er sich einen Stuhl zu mir gerückt hatte, fieng er an:
Jch verehre Jhre ganze Familie; doch muß ich sagen, daß mir der Tag lieb ist, wo alle Gesinnungen meines Herzens al- lein meiner Gemahlin gewidmet seyn kön- nen. Gönnen Sie mir Jhr Vertrauen, so wie Sie mir Jhre Hochachtung ge- schenkt haben; und glauben Sie, daß Sie mit dem Mann, den Sie andern so edelmüthig vorgezogen haben, nicht un- glücklich seyn werden. Jhr väterlich Haus ist nicht weit von uns entfernt, und in diesem hier wird Jhr wohlgesinntes Herz sein Vergnügen finden, mich, meine und Jhre Bediente, meine und Jhre Un- terthanen glücklich zu machen. Jch weiß, daß Sie seit vielen Jahren bey Jhrer Frau Mutter die Stelle einer Hauswirthin ver-
sehen
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hen, betrachtete mich mit zaͤrtlicher Un- ruhe, und ſagte:
Sie ſind nachdenklich, liebſte Gemah- lin! darf ich Sie ſtoͤren?
Jch konnte nicht antworten, reichte ihm aber meine Hand. Er kuͤßte ſie, und nachdem er ſich einen Stuhl zu mir geruͤckt hatte, fieng er an:
Jch verehre Jhre ganze Familie; doch muß ich ſagen, daß mir der Tag lieb iſt, wo alle Geſinnungen meines Herzens al- lein meiner Gemahlin gewidmet ſeyn koͤn- nen. Goͤnnen Sie mir Jhr Vertrauen, ſo wie Sie mir Jhre Hochachtung ge- ſchenkt haben; und glauben Sie, daß Sie mit dem Mann, den Sie andern ſo edelmuͤthig vorgezogen haben, nicht un- gluͤcklich ſeyn werden. Jhr vaͤterlich Haus iſt nicht weit von uns entfernt, und in dieſem hier wird Jhr wohlgeſinntes Herz ſein Vergnuͤgen finden, mich, meine und Jhre Bediente, meine und Jhre Un- terthanen gluͤcklich zu machen. Jch weiß, daß Sie ſeit vielen Jahren bey Jhrer Frau Mutter die Stelle einer Hauswirthin ver-
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hen, betrachtete mich mit zaͤrtlicher Un-
ruhe, und ſagte:
Sie ſind nachdenklich, liebſte Gemah-
lin! darf ich Sie ſtoͤren?
Jch konnte nicht antworten, reichte
ihm aber meine Hand. Er kuͤßte ſie,
und nachdem er ſich einen Stuhl zu mir
geruͤckt hatte, fieng er an:
Jch verehre Jhre ganze Familie; doch
muß ich ſagen, daß mir der Tag lieb iſt,
wo alle Geſinnungen meines Herzens al-
lein meiner Gemahlin gewidmet ſeyn koͤn-
nen. Goͤnnen Sie mir Jhr Vertrauen,
ſo wie Sie mir Jhre Hochachtung ge-
ſchenkt haben; und glauben Sie, daß Sie
mit dem Mann, den Sie andern ſo
edelmuͤthig vorgezogen haben, nicht un-
gluͤcklich ſeyn werden. Jhr vaͤterlich
Haus iſt nicht weit von uns entfernt, und
in dieſem hier wird Jhr wohlgeſinntes
Herz ſein Vergnuͤgen finden, mich, meine
und Jhre Bediente, meine und Jhre Un-
terthanen gluͤcklich zu machen. Jch weiß,
daß Sie ſeit vielen Jahren bey Jhrer Frau
Mutter die Stelle einer Hauswirthin ver-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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