Fräulein! mein Herz ist zu Verehrung der Tugend gebohren; wie war es möglich, eine vortreffliche Seele wie die Jhrige mit allen äusserlichen Annehmlichkeiten beglei- tet zu sehen, ohne daß meine Empfindun- gen lebhaft genug wurden, Wünsche zu machen? Jch hätte diese Wünsche erstickt; aber die treue Freundschaft Jhres Bru- ders hat mir Muth gegeben, um Jhre Zuneigung zu bitten. Sie haben mich nicht verworfen. Gott belohne Jhr lieb- reiches Herz, und lasse mich die Tugend niemals verliehren, die mir Jhre Achtung erworben hat! --
Fräulein Sophie antwortete nur mit einer Verbeugung, und reichte ihm die Hand mit dem Zeichen aufzustehen; dar- auf näherte sich der Baron, und führte beyde an seinen Händen zu seiner Frau Mutter.
Gnädige Mama, sagte er, die Natur hat Jhnen an mir einen Sohn gegeben, von welchem Sie auf das Vollkommenste geehrt und geliebt werden; das Schicksal
giebt
Fraͤulein! mein Herz iſt zu Verehrung der Tugend gebohren; wie war es moͤglich, eine vortreffliche Seele wie die Jhrige mit allen aͤuſſerlichen Annehmlichkeiten beglei- tet zu ſehen, ohne daß meine Empfindun- gen lebhaft genug wurden, Wuͤnſche zu machen? Jch haͤtte dieſe Wuͤnſche erſtickt; aber die treue Freundſchaft Jhres Bru- ders hat mir Muth gegeben, um Jhre Zuneigung zu bitten. Sie haben mich nicht verworfen. Gott belohne Jhr lieb- reiches Herz, und laſſe mich die Tugend niemals verliehren, die mir Jhre Achtung erworben hat! —
Fraͤulein Sophie antwortete nur mit einer Verbeugung, und reichte ihm die Hand mit dem Zeichen aufzuſtehen; dar- auf naͤherte ſich der Baron, und fuͤhrte beyde an ſeinen Haͤnden zu ſeiner Frau Mutter.
Gnaͤdige Mama, ſagte er, die Natur hat Jhnen an mir einen Sohn gegeben, von welchem Sie auf das Vollkommenſte geehrt und geliebt werden; das Schickſal
giebt
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Fraͤulein! mein Herz iſt zu Verehrung der
Tugend gebohren; wie war es moͤglich,
eine vortreffliche Seele wie die Jhrige mit
allen aͤuſſerlichen Annehmlichkeiten beglei-
tet zu ſehen, ohne daß meine Empfindun-
gen lebhaft genug wurden, Wuͤnſche zu
machen? Jch haͤtte dieſe Wuͤnſche erſtickt;
aber die treue Freundſchaft Jhres Bru-
ders hat mir Muth gegeben, um Jhre
Zuneigung zu bitten. Sie haben mich
nicht verworfen. Gott belohne Jhr lieb-
reiches Herz, und laſſe mich die Tugend
niemals verliehren, die mir Jhre Achtung
erworben hat! —
Fraͤulein Sophie antwortete nur mit
einer Verbeugung, und reichte ihm die
Hand mit dem Zeichen aufzuſtehen; dar-
auf naͤherte ſich der Baron, und fuͤhrte
beyde an ſeinen Haͤnden zu ſeiner Frau
Mutter.
Gnaͤdige Mama, ſagte er, die Natur
hat Jhnen an mir einen Sohn gegeben,
von welchem Sie auf das Vollkommenſte
geehrt und geliebt werden; das Schickſal
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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