bey der Frau Mutter und Charlotten zu lassen. Hier that er einen förmlichen An- trag für seinen Freund. Die alte Dame wurde betroffen; er sah es, und sagte: Theure Frau Mutter! alle Jhre Bedenk- lichkeiten sind gegründet. Der Adel soll durch adeliche Verbindungen fortgeführt werden. Aber die Tugenden des Stern- heim sind die Grundlagen aller großen Familien gewesen. Man hatte nicht un- recht zu denken, daß große Eigenschaften der Seele bey Töchtern und Söhnen erb- lich seyn könnten, und daß also jeder Vater für einen edlen Sohn eine edle Toch- ter suchen sollte. Auch wollt' ich, der Einführung der Heyrathen außer Stand nicht gerne das Wort reden. Aber hier ist ein besonderer Fall; ein Fall, der sehr selten erscheinen wird: Stern- heims Verdienste, mit dem Charakter ei- nes wirklichen Obersten, der schon als adelich anzusehen ist, rechtfertigen die Hoffnung, die ich ihm gemacht habe.
Jn Wahrheit, mein Sohn, ich habe Bedenklichkeiten. Aber der Mann hat
meine
bey der Frau Mutter und Charlotten zu laſſen. Hier that er einen foͤrmlichen An- trag fuͤr ſeinen Freund. Die alte Dame wurde betroffen; er ſah es, und ſagte: Theure Frau Mutter! alle Jhre Bedenk- lichkeiten ſind gegruͤndet. Der Adel ſoll durch adeliche Verbindungen fortgefuͤhrt werden. Aber die Tugenden des Stern- heim ſind die Grundlagen aller großen Familien geweſen. Man hatte nicht un- recht zu denken, daß große Eigenſchaften der Seele bey Toͤchtern und Soͤhnen erb- lich ſeyn koͤnnten, und daß alſo jeder Vater fuͤr einen edlen Sohn eine edle Toch- ter ſuchen ſollte. Auch wollt’ ich, der Einfuͤhrung der Heyrathen außer Stand nicht gerne das Wort reden. Aber hier iſt ein beſonderer Fall; ein Fall, der ſehr ſelten erſcheinen wird: Stern- heims Verdienſte, mit dem Charakter ei- nes wirklichen Oberſten, der ſchon als adelich anzuſehen iſt, rechtfertigen die Hoffnung, die ich ihm gemacht habe.
Jn Wahrheit, mein Sohn, ich habe Bedenklichkeiten. Aber der Mann hat
meine
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bey der Frau Mutter und Charlotten zu
laſſen. Hier that er einen foͤrmlichen An-
trag fuͤr ſeinen Freund. Die alte Dame
wurde betroffen; er ſah es, und ſagte:
Theure Frau Mutter! alle Jhre Bedenk-
lichkeiten ſind gegruͤndet. Der Adel ſoll
durch adeliche Verbindungen fortgefuͤhrt
werden. Aber die Tugenden des Stern-
heim ſind die Grundlagen aller großen
Familien geweſen. Man hatte nicht un-
recht zu denken, daß große Eigenſchaften
der Seele bey Toͤchtern und Soͤhnen erb-
lich ſeyn koͤnnten, und daß alſo jeder
Vater fuͤr einen edlen Sohn eine edle Toch-
ter ſuchen ſollte. Auch wollt’ ich, der
Einfuͤhrung der Heyrathen außer
Stand nicht gerne das Wort reden.
Aber hier iſt ein beſonderer Fall; ein Fall,
der ſehr ſelten erſcheinen wird: Stern-
heims Verdienſte, mit dem Charakter ei-
nes wirklichen Oberſten, der ſchon als
adelich anzuſehen iſt, rechtfertigen die
Hoffnung, die ich ihm gemacht habe.
Jn Wahrheit, mein Sohn, ich habe
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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