ihrer Sinnen quillt: So kann auch ihre Ergebung an einen Liebhaber, allein aus der Vorstellung des Vergnügens der Lie- be kommen; denn wenn die Sinnen nicht so viel bey frommen Leuten gälten, woher kämen wohl die sinnlichen Beschreibun- gen ihrer himmlischen Freuden, und wo- her die entzückte Miene, mit welcher sie Leckerbissen verkäuen?
Aber meine Moralistin ist ganz anders gestimmt; sie setzt ihre Tugend und ihre Glückseligkeit in lauter Handlungen zum Besten des Nebenmenschen. Pracht, Ge- mächlichkeit, delicate Speisen, Ehrenbe- zeugungen, Lustbarkeiten, -- nichts kann bey ihr dem Vergnügen Gutes zu thun, die Waagschale halten, und aus diesem Beweggrunde wird sie einst die Wünsche ihrers Verehrers krönen, und das nehm- liche Nachdenken, das sie hat, alles Uebel der Gegenstände ihrer Wohlthätigkeit zu erleichtern und neues Glück für sie zu schaffen, dieses Nachdenken wird sie auch zur Vergrößerung meines Vergnügens verwenden, und ich halte für unmöglich,
daß
ihrer Sinnen quillt: So kann auch ihre Ergebung an einen Liebhaber, allein aus der Vorſtellung des Vergnuͤgens der Lie- be kommen; denn wenn die Sinnen nicht ſo viel bey frommen Leuten gaͤlten, woher kaͤmen wohl die ſinnlichen Beſchreibun- gen ihrer himmliſchen Freuden, und wo- her die entzuͤckte Miene, mit welcher ſie Leckerbiſſen verkaͤuen?
Aber meine Moraliſtin iſt ganz anders geſtimmt; ſie ſetzt ihre Tugend und ihre Gluͤckſeligkeit in lauter Handlungen zum Beſten des Nebenmenſchen. Pracht, Ge- maͤchlichkeit, delicate Speiſen, Ehrenbe- zeugungen, Luſtbarkeiten, — nichts kann bey ihr dem Vergnuͤgen Gutes zu thun, die Waagſchale halten, und aus dieſem Beweggrunde wird ſie einſt die Wuͤnſche ihrers Verehrers kroͤnen, und das nehm- liche Nachdenken, das ſie hat, alles Uebel der Gegenſtaͤnde ihrer Wohlthaͤtigkeit zu erleichtern und neues Gluͤck fuͤr ſie zu ſchaffen, dieſes Nachdenken wird ſie auch zur Vergroͤßerung meines Vergnuͤgens verwenden, und ich halte fuͤr unmoͤglich,
daß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0344"n="318"/>
ihrer Sinnen quillt: So kann auch ihre<lb/>
Ergebung an einen Liebhaber, allein aus<lb/>
der Vorſtellung des Vergnuͤgens der Lie-<lb/>
be kommen; denn wenn die Sinnen nicht ſo<lb/>
viel bey frommen Leuten gaͤlten, woher<lb/>
kaͤmen wohl die ſinnlichen Beſchreibun-<lb/>
gen ihrer himmliſchen Freuden, und wo-<lb/>
her die entzuͤckte Miene, mit welcher ſie<lb/>
Leckerbiſſen verkaͤuen?</p><lb/><p>Aber meine Moraliſtin iſt ganz anders<lb/>
geſtimmt; ſie ſetzt ihre Tugend und ihre<lb/>
Gluͤckſeligkeit in lauter Handlungen zum<lb/>
Beſten des Nebenmenſchen. Pracht, Ge-<lb/>
maͤchlichkeit, delicate Speiſen, Ehrenbe-<lb/>
zeugungen, Luſtbarkeiten, — nichts kann<lb/>
bey ihr dem Vergnuͤgen Gutes zu thun,<lb/>
die Waagſchale halten, und aus dieſem<lb/>
Beweggrunde wird ſie einſt die Wuͤnſche<lb/>
ihrers Verehrers kroͤnen, und das nehm-<lb/>
liche Nachdenken, das ſie hat, alles Uebel<lb/>
der Gegenſtaͤnde ihrer Wohlthaͤtigkeit zu<lb/>
erleichtern und neues Gluͤck fuͤr ſie zu<lb/>ſchaffen, dieſes Nachdenken wird ſie auch<lb/>
zur Vergroͤßerung meines Vergnuͤgens<lb/>
verwenden, und ich halte fuͤr unmoͤglich,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0344]
ihrer Sinnen quillt: So kann auch ihre
Ergebung an einen Liebhaber, allein aus
der Vorſtellung des Vergnuͤgens der Lie-
be kommen; denn wenn die Sinnen nicht ſo
viel bey frommen Leuten gaͤlten, woher
kaͤmen wohl die ſinnlichen Beſchreibun-
gen ihrer himmliſchen Freuden, und wo-
her die entzuͤckte Miene, mit welcher ſie
Leckerbiſſen verkaͤuen?
Aber meine Moraliſtin iſt ganz anders
geſtimmt; ſie ſetzt ihre Tugend und ihre
Gluͤckſeligkeit in lauter Handlungen zum
Beſten des Nebenmenſchen. Pracht, Ge-
maͤchlichkeit, delicate Speiſen, Ehrenbe-
zeugungen, Luſtbarkeiten, — nichts kann
bey ihr dem Vergnuͤgen Gutes zu thun,
die Waagſchale halten, und aus dieſem
Beweggrunde wird ſie einſt die Wuͤnſche
ihrers Verehrers kroͤnen, und das nehm-
liche Nachdenken, das ſie hat, alles Uebel
der Gegenſtaͤnde ihrer Wohlthaͤtigkeit zu
erleichtern und neues Gluͤck fuͤr ſie zu
ſchaffen, dieſes Nachdenken wird ſie auch
zur Vergroͤßerung meines Vergnuͤgens
verwenden, und ich halte fuͤr unmoͤglich,
daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/344>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.