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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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theil für uns darinn herrschet, kraft des-
sen man von unsern verkehrtesten Hand-
lungen auf das gelindeste urtheilt; Ja,
sie noch manchmal als Beweise unsrer
großen und freyen Seelen ansieht.

Bey dieser Kunst den Augenblick des
Zufalls zu benutzen, habe ich mehr ge-
wonnen als ich durch ein ganzes Jahr
Seufzen und Winseln erhalten hätte.
Lies diese Scene und bewundere die Ge-
genwart des Geistes und die Gewalt, die
ich über meine sonst unbändige Sinnen,
in der ganzen halben Stunde hatte, die
ich allein, ganz allein mit meiner Göttin in
einem Zimmer war, und ihre schöne Figur
in der allerreizendsten Gestalt vor mir sah.
Sie war nach Hause gegangen, um ihr
Oberkleid und ihren Kopfputz abzulegen,
und warf nur einen großen Mantel und
eine Kappe über sich, als sie sich zu Rath
T* tragen ließ. Die Kappe, welche sie
abzog, nahm allen Puder von ihren
Castanien-Haaren hinweg, und brachte
auch die Locken etwas in Unordnung; ein
kurzes Unterkleid, und die schöne erhöhete

Farbe,

theil fuͤr uns darinn herrſchet, kraft deſ-
ſen man von unſern verkehrteſten Hand-
lungen auf das gelindeſte urtheilt; Ja,
ſie noch manchmal als Beweiſe unſrer
großen und freyen Seelen anſieht.

Bey dieſer Kunſt den Augenblick des
Zufalls zu benutzen, habe ich mehr ge-
wonnen als ich durch ein ganzes Jahr
Seufzen und Winſeln erhalten haͤtte.
Lies dieſe Scene und bewundere die Ge-
genwart des Geiſtes und die Gewalt, die
ich uͤber meine ſonſt unbaͤndige Sinnen,
in der ganzen halben Stunde hatte, die
ich allein, ganz allein mit meiner Goͤttin in
einem Zimmer war, und ihre ſchoͤne Figur
in der allerreizendſten Geſtalt vor mir ſah.
Sie war nach Hauſe gegangen, um ihr
Oberkleid und ihren Kopfputz abzulegen,
und warf nur einen großen Mantel und
eine Kappe uͤber ſich, als ſie ſich zu Rath
T* tragen ließ. Die Kappe, welche ſie
abzog, nahm allen Puder von ihren
Caſtanien-Haaren hinweg, und brachte
auch die Locken etwas in Unordnung; ein
kurzes Unterkleid, und die ſchoͤne erhoͤhete

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[310/0336] theil fuͤr uns darinn herrſchet, kraft deſ- ſen man von unſern verkehrteſten Hand- lungen auf das gelindeſte urtheilt; Ja, ſie noch manchmal als Beweiſe unſrer großen und freyen Seelen anſieht. Bey dieſer Kunſt den Augenblick des Zufalls zu benutzen, habe ich mehr ge- wonnen als ich durch ein ganzes Jahr Seufzen und Winſeln erhalten haͤtte. Lies dieſe Scene und bewundere die Ge- genwart des Geiſtes und die Gewalt, die ich uͤber meine ſonſt unbaͤndige Sinnen, in der ganzen halben Stunde hatte, die ich allein, ganz allein mit meiner Goͤttin in einem Zimmer war, und ihre ſchoͤne Figur in der allerreizendſten Geſtalt vor mir ſah. Sie war nach Hauſe gegangen, um ihr Oberkleid und ihren Kopfputz abzulegen, und warf nur einen großen Mantel und eine Kappe uͤber ſich, als ſie ſich zu Rath T* tragen ließ. Die Kappe, welche ſie abzog, nahm allen Puder von ihren Caſtanien-Haaren hinweg, und brachte auch die Locken etwas in Unordnung; ein kurzes Unterkleid, und die ſchoͤne erhoͤhete Farbe,

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/336>, abgerufen am 18.12.2024.