ich verlohr meine Karten, und legte mich voll Gift an ein Fenster; aber wie ich sie zum Spieltische ihrer Tante eilen und ihre Augen voller Bewegung und verwirrt auf das Spiel richten sah, näherte ich mich. Sie warf einen heftigen halbscheuen Blick nach mir. Jhre Tante fieng an: Sie sähe ihr an, daß sie mit dem Fürsten für den Rath T* geredet habe: das Fräulein bejahte es, sagte freudig, daß er ihr Gnade für die Familie versprochen, und setzte etwas von dem Nothstande dieser Leu- te hinzu. Dieses faßte ich mir, um gleich den andern Tag etwas für sie zu thun, ehe der Fürst die Bitte der Sternheim er- füllte. Jch gieng nach meiner Gewohn- heit in dem Ueberrock meines Kerls an die Fenster des Speisesaals vom Grafen Lö- bau, weil ich alle Tage wissen wollte, wer mit meiner Schönen zur Nacht esse; kaum war ich in der Gasse, so sah ich Tragsessel kommen, die an dem Hause hielten, zwo ziemlich verkappte Frauenzimmer kamen an die Thür und ich hörte die Stimme der Sternheim deutlich sagen, zu Rath
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ich verlohr meine Karten, und legte mich voll Gift an ein Fenſter; aber wie ich ſie zum Spieltiſche ihrer Tante eilen und ihre Augen voller Bewegung und verwirrt auf das Spiel richten ſah, naͤherte ich mich. Sie warf einen heftigen halbſcheuen Blick nach mir. Jhre Tante fieng an: Sie ſaͤhe ihr an, daß ſie mit dem Fuͤrſten fuͤr den Rath T* geredet habe: das Fraͤulein bejahte es, ſagte freudig, daß er ihr Gnade fuͤr die Familie verſprochen, und ſetzte etwas von dem Nothſtande dieſer Leu- te hinzu. Dieſes faßte ich mir, um gleich den andern Tag etwas fuͤr ſie zu thun, ehe der Fuͤrſt die Bitte der Sternheim er- fuͤllte. Jch gieng nach meiner Gewohn- heit in dem Ueberrock meines Kerls an die Fenſter des Speiſeſaals vom Grafen Loͤ- bau, weil ich alle Tage wiſſen wollte, wer mit meiner Schoͤnen zur Nacht eſſe; kaum war ich in der Gaſſe, ſo ſah ich Tragſeſſel kommen, die an dem Hauſe hielten, zwo ziemlich verkappte Frauenzimmer kamen an die Thuͤr und ich hoͤrte die Stimme der Sternheim deutlich ſagen, zu Rath
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ich verlohr meine Karten, und legte mich
voll Gift an ein Fenſter; aber wie ich ſie
zum Spieltiſche ihrer Tante eilen und ihre
Augen voller Bewegung und verwirrt auf
das Spiel richten ſah, naͤherte ich mich.
Sie warf einen heftigen halbſcheuen Blick
nach mir. Jhre Tante fieng an: Sie
ſaͤhe ihr an, daß ſie mit dem Fuͤrſten fuͤr
den Rath T* geredet habe: das Fraͤulein
bejahte es, ſagte freudig, daß er ihr
Gnade fuͤr die Familie verſprochen, und
ſetzte etwas von dem Nothſtande dieſer Leu-
te hinzu. Dieſes faßte ich mir, um gleich
den andern Tag etwas fuͤr ſie zu thun,
ehe der Fuͤrſt die Bitte der Sternheim er-
fuͤllte. Jch gieng nach meiner Gewohn-
heit in dem Ueberrock meines Kerls an die
Fenſter des Speiſeſaals vom Grafen Loͤ-
bau, weil ich alle Tage wiſſen wollte, wer
mit meiner Schoͤnen zur Nacht eſſe; kaum
war ich in der Gaſſe, ſo ſah ich Tragſeſſel
kommen, die an dem Hauſe hielten, zwo
ziemlich verkappte Frauenzimmer kamen
an die Thuͤr und ich hoͤrte die Stimme
der Sternheim deutlich ſagen, zu Rath
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/331>, abgerufen am 18.12.2024.
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