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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Platz genommen, und ich zog die Frau
mit meiner Hand an mich, indem ich bey-
den sagte: Bald, meine lieben Freunde,
werde ich sie mit einem vergnügten Ge-
sichte sehen, denn der Fürst hat dem Herrn
Rath ein Amt und andre Hülfe ver-
sprochen.

Die Frau und die zwey ältesten Kinder
knieten vor mich hin, mit Ausrufung voll
Freude [und] Danks. Jm nehmlichen Au-
genblick pochte jemand an den Fensterla-
den; Der Rath T * machte das Fenster
und den Laden auf, und es flog ein Pa-
quet mit Geld herein, das ziemlich schwer
auffiel, und uns alle bestürzt machte.
Eilends näherte ich meinen Kopf dem Fen-
ster und hörte ganz deutlich die Stimme
des Milords Derby, der auf englisch sag-
te: Gott sey Dank, ich habe etwas Gu-
tes gethan, mag man mich wegen meiner
Lustigkeit immer für einen Bösewicht
halten!"

Jch bekenne, daß mich seine Handlung
und seine Rede in der Seele bewegte, und
mein erster Gedanke war: Vielleicht ist

Milord

Platz genommen, und ich zog die Frau
mit meiner Hand an mich, indem ich bey-
den ſagte: Bald, meine lieben Freunde,
werde ich ſie mit einem vergnuͤgten Ge-
ſichte ſehen, denn der Fuͤrſt hat dem Herrn
Rath ein Amt und andre Huͤlfe ver-
ſprochen.

Die Frau und die zwey aͤlteſten Kinder
knieten vor mich hin, mit Ausrufung voll
Freude [und] Danks. Jm nehmlichen Au-
genblick pochte jemand an den Fenſterla-
den; Der Rath T * machte das Fenſter
und den Laden auf, und es flog ein Pa-
quet mit Geld herein, das ziemlich ſchwer
auffiel, und uns alle beſtuͤrzt machte.
Eilends naͤherte ich meinen Kopf dem Fen-
ſter und hoͤrte ganz deutlich die Stimme
des Milords Derby, der auf engliſch ſag-
te: Gott ſey Dank, ich habe etwas Gu-
tes gethan, mag man mich wegen meiner
Luſtigkeit immer fuͤr einen Boͤſewicht
halten!“

Jch bekenne, daß mich ſeine Handlung
und ſeine Rede in der Seele bewegte, und
mein erſter Gedanke war: Vielleicht iſt

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[287/0313] Platz genommen, und ich zog die Frau mit meiner Hand an mich, indem ich bey- den ſagte: Bald, meine lieben Freunde, werde ich ſie mit einem vergnuͤgten Ge- ſichte ſehen, denn der Fuͤrſt hat dem Herrn Rath ein Amt und andre Huͤlfe ver- ſprochen. Die Frau und die zwey aͤlteſten Kinder knieten vor mich hin, mit Ausrufung voll Freude und Danks. Jm nehmlichen Au- genblick pochte jemand an den Fenſterla- den; Der Rath T * machte das Fenſter und den Laden auf, und es flog ein Pa- quet mit Geld herein, das ziemlich ſchwer auffiel, und uns alle beſtuͤrzt machte. Eilends naͤherte ich meinen Kopf dem Fen- ſter und hoͤrte ganz deutlich die Stimme des Milords Derby, der auf engliſch ſag- te: Gott ſey Dank, ich habe etwas Gu- tes gethan, mag man mich wegen meiner Luſtigkeit immer fuͤr einen Boͤſewicht halten!“ Jch bekenne, daß mich ſeine Handlung und ſeine Rede in der Seele bewegte, und mein erſter Gedanke war: Vielleicht iſt Milord

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/313>, abgerufen am 18.12.2024.