Gemahlin, einer Layd Watson, die er auf einer Gesandtschaft in England geheu- rathet, erzeugt hatte. Dieses Fräulein schien zu aller sanften Liebenswürdigkeit einer Engländerin, auch den melancholi- schen Charakter, der diese Nation bezeich- net, von ihrer Mutter geerbt zu haben. Ein stiller Gram war auf ihrem Gesichte verbreitet. Sie liebte die Einsamkeit, verwendete sie aber allein auf fleißiges Le- sen der besten Bücher; ohne gleichwohl die Gelegenheiten zu versäumen, wo sie, ohne fremde Gesellschaft, mit den Perso- nen ihrer Familie allein seyn konnte.
Der Baron, ihr Bruder, der sie zärt- lich liebte, machte sich Kummer für ihre Gesundheit, er gab sich alle Mühe, sie zu zerstreuen, und die Ursache ihrer rüh- renden Traurigkeit zu erfahren.
Etlichemal bat er sie, ihr Herz einem treuen zärtlichen Bruder zu entdecken. Sie sah ihn bedenklich an, dankte ihm für seine Sorge, und bat ihn mit thrä- nenden Augen, ihr ihr Geheimniß zu lassen, und sie zu lieben. Dieses machte
ihn
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Gemahlin, einer Layd Watſon, die er auf einer Geſandtſchaft in England geheu- rathet, erzeugt hatte. Dieſes Fraͤulein ſchien zu aller ſanften Liebenswuͤrdigkeit einer Englaͤnderin, auch den melancholi- ſchen Charakter, der dieſe Nation bezeich- net, von ihrer Mutter geerbt zu haben. Ein ſtiller Gram war auf ihrem Geſichte verbreitet. Sie liebte die Einſamkeit, verwendete ſie aber allein auf fleißiges Le- ſen der beſten Buͤcher; ohne gleichwohl die Gelegenheiten zu verſaͤumen, wo ſie, ohne fremde Geſellſchaft, mit den Perſo- nen ihrer Familie allein ſeyn konnte.
Der Baron, ihr Bruder, der ſie zaͤrt- lich liebte, machte ſich Kummer fuͤr ihre Geſundheit, er gab ſich alle Muͤhe, ſie zu zerſtreuen, und die Urſache ihrer ruͤh- renden Traurigkeit zu erfahren.
Etlichemal bat er ſie, ihr Herz einem treuen zaͤrtlichen Bruder zu entdecken. Sie ſah ihn bedenklich an, dankte ihm fuͤr ſeine Sorge, und bat ihn mit thraͤ- nenden Augen, ihr ihr Geheimniß zu laſſen, und ſie zu lieben. Dieſes machte
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Gemahlin, einer Layd Watſon, die er
auf einer Geſandtſchaft in England geheu-
rathet, erzeugt hatte. Dieſes Fraͤulein
ſchien zu aller ſanften Liebenswuͤrdigkeit
einer Englaͤnderin, auch den melancholi-
ſchen Charakter, der dieſe Nation bezeich-
net, von ihrer Mutter geerbt zu haben.
Ein ſtiller Gram war auf ihrem Geſichte
verbreitet. Sie liebte die Einſamkeit,
verwendete ſie aber allein auf fleißiges Le-
ſen der beſten Buͤcher; ohne gleichwohl
die Gelegenheiten zu verſaͤumen, wo ſie,
ohne fremde Geſellſchaft, mit den Perſo-
nen ihrer Familie allein ſeyn konnte.
Der Baron, ihr Bruder, der ſie zaͤrt-
lich liebte, machte ſich Kummer fuͤr ihre
Geſundheit, er gab ſich alle Muͤhe, ſie
zu zerſtreuen, und die Urſache ihrer ruͤh-
renden Traurigkeit zu erfahren.
Etlichemal bat er ſie, ihr Herz einem
treuen zaͤrtlichen Bruder zu entdecken.
Sie ſah ihn bedenklich an, dankte ihm
fuͤr ſeine Sorge, und bat ihn mit thraͤ-
nenden Augen, ihr ihr Geheimniß zu
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/31>, abgerufen am 24.11.2024.
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