gefiel es, sie wies es jedermann, und re- dete es als eine gute Kennerinn von der Zeichnung und Mahlerey. Meine Freu- de war nicht zu beschreiben; ich hielt die Besorgnisse der Hofleute gegründet, und die Freude des Fräuleins bekräftigte mich in der Jdee, daß sie durch ihre Tugend eine neue fliehende Daphne seyn würde. Aber wie schmerzhaft, wie niederträchtig hat mich nicht ihre Scheintugend betro- gen, da sie sich gleich darauf dem Apollo in die Arme warf! Jch sah sie mit ihrer ehrlosen Tante, und der Gräfin F* eini- ge Zeit auf und abgehen; die zwo elenden Unterhändlerinnen schmeichelten ihr in die Wette. Endlich merkte ich, daß sie mit einer zärtlichen und sorgsamen Miene, bald die Gesellschaft, bald die Thüre des Pfarrgartens ansah; und auf einmal mit dem leichtesten freudigsten Schritt durch die Zuseher drang und in den Gar- ten eilte. Lang war sie nicht darinn, aber ihr Hineingehen hatte schon Aufsehen erweckt. Wie vieles verursachte erst der Ausdruck von Zufriedenheit und Beschä-
mung
gefiel es, ſie wies es jedermann, und re- dete es als eine gute Kennerinn von der Zeichnung und Mahlerey. Meine Freu- de war nicht zu beſchreiben; ich hielt die Beſorgniſſe der Hofleute gegruͤndet, und die Freude des Fraͤuleins bekraͤftigte mich in der Jdee, daß ſie durch ihre Tugend eine neue fliehende Daphne ſeyn wuͤrde. Aber wie ſchmerzhaft, wie niedertraͤchtig hat mich nicht ihre Scheintugend betro- gen, da ſie ſich gleich darauf dem Apollo in die Arme warf! Jch ſah ſie mit ihrer ehrloſen Tante, und der Graͤfin F* eini- ge Zeit auf und abgehen; die zwo elenden Unterhaͤndlerinnen ſchmeichelten ihr in die Wette. Endlich merkte ich, daß ſie mit einer zaͤrtlichen und ſorgſamen Miene, bald die Geſellſchaft, bald die Thuͤre des Pfarrgartens anſah; und auf einmal mit dem leichteſten freudigſten Schritt durch die Zuſeher drang und in den Gar- ten eilte. Lang war ſie nicht darinn, aber ihr Hineingehen hatte ſchon Aufſehen erweckt. Wie vieles verurſachte erſt der Ausdruck von Zufriedenheit und Beſchaͤ-
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[255/0281]
gefiel es, ſie wies es jedermann, und re-
dete es als eine gute Kennerinn von der
Zeichnung und Mahlerey. Meine Freu-
de war nicht zu beſchreiben; ich hielt die
Beſorgniſſe der Hofleute gegruͤndet, und
die Freude des Fraͤuleins bekraͤftigte mich
in der Jdee, daß ſie durch ihre Tugend
eine neue fliehende Daphne ſeyn wuͤrde.
Aber wie ſchmerzhaft, wie niedertraͤchtig
hat mich nicht ihre Scheintugend betro-
gen, da ſie ſich gleich darauf dem Apollo
in die Arme warf! Jch ſah ſie mit ihrer
ehrloſen Tante, und der Graͤfin F* eini-
ge Zeit auf und abgehen; die zwo elenden
Unterhaͤndlerinnen ſchmeichelten ihr in die
Wette. Endlich merkte ich, daß ſie mit
einer zaͤrtlichen und ſorgſamen Miene,
bald die Geſellſchaft, bald die Thuͤre des
Pfarrgartens anſah; und auf einmal
mit dem leichteſten freudigſten Schritt
durch die Zuſeher drang und in den Gar-
ten eilte. Lang war ſie nicht darinn,
aber ihr Hineingehen hatte ſchon Aufſehen
erweckt. Wie vieles verurſachte erſt der
Ausdruck von Zufriedenheit und Beſchaͤ-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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