Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
Milord Seymour
an
den Doctor B.

Jch bin seit vier Stunden von einem
prächtigen und wohl ausgesonnenen Feste
zurückgekommen; und da ich ungeachtet
der heftigen Bewegungen, die meine Le-
bensgeister erlitten, keinen Schlaf finden
kann, so will ich wenigstens die Ruhe su-
chen, welche eine Unterredung mit einem
würdigen Freund einem bekümmerten
Herzen giebt. Warum, o mein theurer
Lehrmeister, konnte Jhre erfahrne Weis-
heit kein Mittel finden, meine Seele ge-
gen die Heftigkeit guter Eindrücke zu be-
waffnen, so wie Sie eins gefunden haben,
mich gegen das Beyspiel und die Aufmun-
terung der Bosheit zu bewahren. Jch
will Jhnen die Ursache erzählen; so wer-
den Sie selbst sehen, wie glücklich ich
durch eine vernünftige Gleichgültigkeit ge-
worden wäre.

Der erste Minister des Hofs gab dem
Adel, oder vielmehr der Fürst gab unter

dem
Milord Seymour
an
den Doctor B.

Jch bin ſeit vier Stunden von einem
praͤchtigen und wohl ausgeſonnenen Feſte
zuruͤckgekommen; und da ich ungeachtet
der heftigen Bewegungen, die meine Le-
bensgeiſter erlitten, keinen Schlaf finden
kann, ſo will ich wenigſtens die Ruhe ſu-
chen, welche eine Unterredung mit einem
wuͤrdigen Freund einem bekuͤmmerten
Herzen giebt. Warum, o mein theurer
Lehrmeiſter, konnte Jhre erfahrne Weis-
heit kein Mittel finden, meine Seele ge-
gen die Heftigkeit guter Eindruͤcke zu be-
waffnen, ſo wie Sie eins gefunden haben,
mich gegen das Beyſpiel und die Aufmun-
terung der Bosheit zu bewahren. Jch
will Jhnen die Urſache erzaͤhlen; ſo wer-
den Sie ſelbſt ſehen, wie gluͤcklich ich
durch eine vernuͤnftige Gleichguͤltigkeit ge-
worden waͤre.

Der erſte Miniſter des Hofs gab dem
Adel, oder vielmehr der Fuͤrſt gab unter

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0278" n="252"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Milord Seymour</hi></hi><lb/>
an<lb/><hi rendition="#fr">den Doctor B.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch bin &#x017F;eit vier Stunden von einem<lb/>
pra&#x0364;chtigen und wohl ausge&#x017F;onnenen Fe&#x017F;te<lb/>
zuru&#x0364;ckgekommen; und da ich ungeachtet<lb/>
der heftigen Bewegungen, die meine Le-<lb/>
bensgei&#x017F;ter erlitten, keinen Schlaf finden<lb/>
kann, &#x017F;o will ich wenig&#x017F;tens die Ruhe &#x017F;u-<lb/>
chen, welche eine Unterredung mit einem<lb/>
wu&#x0364;rdigen Freund einem beku&#x0364;mmerten<lb/>
Herzen giebt. Warum, o mein theurer<lb/>
Lehrmei&#x017F;ter, konnte Jhre erfahrne Weis-<lb/>
heit kein Mittel finden, meine Seele ge-<lb/>
gen die Heftigkeit <hi rendition="#fr">guter</hi> Eindru&#x0364;cke zu be-<lb/>
waffnen, &#x017F;o wie Sie eins gefunden haben,<lb/>
mich gegen das Bey&#x017F;piel und die Aufmun-<lb/>
terung der Bosheit zu bewahren. Jch<lb/>
will Jhnen die Ur&#x017F;ache erza&#x0364;hlen; &#x017F;o wer-<lb/>
den Sie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehen, wie glu&#x0364;cklich ich<lb/>
durch eine vernu&#x0364;nftige Gleichgu&#x0364;ltigkeit ge-<lb/>
worden wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Der er&#x017F;te Mini&#x017F;ter des Hofs gab dem<lb/>
Adel, oder vielmehr der Fu&#x0364;r&#x017F;t gab unter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0278] Milord Seymour an den Doctor B. Jch bin ſeit vier Stunden von einem praͤchtigen und wohl ausgeſonnenen Feſte zuruͤckgekommen; und da ich ungeachtet der heftigen Bewegungen, die meine Le- bensgeiſter erlitten, keinen Schlaf finden kann, ſo will ich wenigſtens die Ruhe ſu- chen, welche eine Unterredung mit einem wuͤrdigen Freund einem bekuͤmmerten Herzen giebt. Warum, o mein theurer Lehrmeiſter, konnte Jhre erfahrne Weis- heit kein Mittel finden, meine Seele ge- gen die Heftigkeit guter Eindruͤcke zu be- waffnen, ſo wie Sie eins gefunden haben, mich gegen das Beyſpiel und die Aufmun- terung der Bosheit zu bewahren. Jch will Jhnen die Urſache erzaͤhlen; ſo wer- den Sie ſelbſt ſehen, wie gluͤcklich ich durch eine vernuͤnftige Gleichguͤltigkeit ge- worden waͤre. Der erſte Miniſter des Hofs gab dem Adel, oder vielmehr der Fuͤrſt gab unter dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/278
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/278>, abgerufen am 25.11.2024.