Jch bin seit vier Stunden von einem prächtigen und wohl ausgesonnenen Feste zurückgekommen; und da ich ungeachtet der heftigen Bewegungen, die meine Le- bensgeister erlitten, keinen Schlaf finden kann, so will ich wenigstens die Ruhe su- chen, welche eine Unterredung mit einem würdigen Freund einem bekümmerten Herzen giebt. Warum, o mein theurer Lehrmeister, konnte Jhre erfahrne Weis- heit kein Mittel finden, meine Seele ge- gen die Heftigkeit guter Eindrücke zu be- waffnen, so wie Sie eins gefunden haben, mich gegen das Beyspiel und die Aufmun- terung der Bosheit zu bewahren. Jch will Jhnen die Ursache erzählen; so wer- den Sie selbst sehen, wie glücklich ich durch eine vernünftige Gleichgültigkeit ge- worden wäre.
Der erste Minister des Hofs gab dem Adel, oder vielmehr der Fürst gab unter
dem
Milord Seymour an den Doctor B.
Jch bin ſeit vier Stunden von einem praͤchtigen und wohl ausgeſonnenen Feſte zuruͤckgekommen; und da ich ungeachtet der heftigen Bewegungen, die meine Le- bensgeiſter erlitten, keinen Schlaf finden kann, ſo will ich wenigſtens die Ruhe ſu- chen, welche eine Unterredung mit einem wuͤrdigen Freund einem bekuͤmmerten Herzen giebt. Warum, o mein theurer Lehrmeiſter, konnte Jhre erfahrne Weis- heit kein Mittel finden, meine Seele ge- gen die Heftigkeit guter Eindruͤcke zu be- waffnen, ſo wie Sie eins gefunden haben, mich gegen das Beyſpiel und die Aufmun- terung der Bosheit zu bewahren. Jch will Jhnen die Urſache erzaͤhlen; ſo wer- den Sie ſelbſt ſehen, wie gluͤcklich ich durch eine vernuͤnftige Gleichguͤltigkeit ge- worden waͤre.
Der erſte Miniſter des Hofs gab dem Adel, oder vielmehr der Fuͤrſt gab unter
dem
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[252/0278]
Milord Seymour
an
den Doctor B.
Jch bin ſeit vier Stunden von einem
praͤchtigen und wohl ausgeſonnenen Feſte
zuruͤckgekommen; und da ich ungeachtet
der heftigen Bewegungen, die meine Le-
bensgeiſter erlitten, keinen Schlaf finden
kann, ſo will ich wenigſtens die Ruhe ſu-
chen, welche eine Unterredung mit einem
wuͤrdigen Freund einem bekuͤmmerten
Herzen giebt. Warum, o mein theurer
Lehrmeiſter, konnte Jhre erfahrne Weis-
heit kein Mittel finden, meine Seele ge-
gen die Heftigkeit guter Eindruͤcke zu be-
waffnen, ſo wie Sie eins gefunden haben,
mich gegen das Beyſpiel und die Aufmun-
terung der Bosheit zu bewahren. Jch
will Jhnen die Urſache erzaͤhlen; ſo wer-
den Sie ſelbſt ſehen, wie gluͤcklich ich
durch eine vernuͤnftige Gleichguͤltigkeit ge-
worden waͤre.
Der erſte Miniſter des Hofs gab dem
Adel, oder vielmehr der Fuͤrſt gab unter
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/278>, abgerufen am 25.11.2024.
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