unruhig, bald unter diesen, bald unter jenen Baum führte, wohin ihm Fräulein C*, als seine Bäuerin, wie ein Schatten folgte. Meine Leidenschaft kostete mich herculische Mühe, sie im Zügel zu halten; aber schweigen konnte ich nicht, sondern haschte jede Gelegenheit, wo ich an dem Fräulein von Sternheim vorbeygehen, und ihr auf englisch etwas bewunderndes sagen konnte. Aber etliche mal hätte ich sie zerquetschen mögen, da ihre Blicke, wiewohl nur auf das Flüchtigste, mit al- ler Unruh der Liebe nach Seymour gerich- tet waren. Endlich entschlüpfte sie un- ter dem Volke, und wir sahen sie auf die Thüre des Gartens vom Pfarrhofe zuei- len; man beredete sich darüber, und ich blieb an der Ecke des kleinen Milchhauses stehen, um sie beym Zurückkommen zu beobachten. Ehe eine Viertelstunde vor- bey war, kam sie heraus. Die schönste Carminfarbe, und der feinste Ausdruck des Entzückens war auf ihrem Gesicht verbreitet. Mit leutseliger Güte dankte sie für die Bemühung etlicher Zuseher, die
ihr
unruhig, bald unter dieſen, bald unter jenen Baum fuͤhrte, wohin ihm Fraͤulein C*, als ſeine Baͤuerin, wie ein Schatten folgte. Meine Leidenſchaft koſtete mich herculiſche Muͤhe, ſie im Zuͤgel zu halten; aber ſchweigen konnte ich nicht, ſondern haſchte jede Gelegenheit, wo ich an dem Fraͤulein von Sternheim vorbeygehen, und ihr auf engliſch etwas bewunderndes ſagen konnte. Aber etliche mal haͤtte ich ſie zerquetſchen moͤgen, da ihre Blicke, wiewohl nur auf das Fluͤchtigſte, mit al- ler Unruh der Liebe nach Seymour gerich- tet waren. Endlich entſchluͤpfte ſie un- ter dem Volke, und wir ſahen ſie auf die Thuͤre des Gartens vom Pfarrhofe zuei- len; man beredete ſich daruͤber, und ich blieb an der Ecke des kleinen Milchhauſes ſtehen, um ſie beym Zuruͤckkommen zu beobachten. Ehe eine Viertelſtunde vor- bey war, kam ſie heraus. Die ſchoͤnſte Carminfarbe, und der feinſte Ausdruck des Entzuͤckens war auf ihrem Geſicht verbreitet. Mit leutſeliger Guͤte dankte ſie fuͤr die Bemuͤhung etlicher Zuſeher, die
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unruhig, bald unter dieſen, bald unter
jenen Baum fuͤhrte, wohin ihm Fraͤulein
C*, als ſeine Baͤuerin, wie ein Schatten
folgte. Meine Leidenſchaft koſtete mich
herculiſche Muͤhe, ſie im Zuͤgel zu halten;
aber ſchweigen konnte ich nicht, ſondern
haſchte jede Gelegenheit, wo ich an dem
Fraͤulein von Sternheim vorbeygehen,
und ihr auf engliſch etwas bewunderndes
ſagen konnte. Aber etliche mal haͤtte ich
ſie zerquetſchen moͤgen, da ihre Blicke,
wiewohl nur auf das Fluͤchtigſte, mit al-
ler Unruh der Liebe nach Seymour gerich-
tet waren. Endlich entſchluͤpfte ſie un-
ter dem Volke, und wir ſahen ſie auf die
Thuͤre des Gartens vom Pfarrhofe zuei-
len; man beredete ſich daruͤber, und ich
blieb an der Ecke des kleinen Milchhauſes
ſtehen, um ſie beym Zuruͤckkommen zu
beobachten. Ehe eine Viertelſtunde vor-
bey war, kam ſie heraus. Die ſchoͤnſte
Carminfarbe, und der feinſte Ausdruck
des Entzuͤckens war auf ihrem Geſicht
verbreitet. Mit leutſeliger Guͤte dankte
ſie fuͤr die Bemuͤhung etlicher Zuſeher, die
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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