pfinden, zu urtheilen und zu handeln mit dem Geschmack, den Sitten und Gewohnheiten der großen Welt macht, -- scheint ihr nicht die günstig- ste Aufnahme in der letztern vorherzu- sagen. Gleichwohl gebe ich noch nicht alle Hoffnung auf, daß sie nicht, eben darum, weil sie eine Erscheinung ist, unter dem Namen der liebenswürdi- gen Grillenfängerin, ansehnliche Er- oberungen sollte machen können. Jn der That, bey aller ihrer moralischen Sonderlichkeit, welche zuweilen nahe an das Uebertriebene, oder was einige Pedanterey nennen werden, zu gren- zen scheint, ist sie ein liebenswürdiges Geschöpfe; und wenn auf der einen Seite ihr ganzer Charakter mit allen ih- ren Begriffen und Grundsätzen als eine in Handlung gesetzte Satyre über das Hofleben und die große Welt angesehen werden kann: so ist auf der andern eben so gewiß, daß man nicht billiger und nachsichtlicher von den Vorzügen und
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pfinden, zu urtheilen und zu handeln mit dem Geſchmack, den Sitten und Gewohnheiten der großen Welt macht, — ſcheint ihr nicht die guͤnſtig- ſte Aufnahme in der letztern vorherzu- ſagen. Gleichwohl gebe ich noch nicht alle Hoffnung auf, daß ſie nicht, eben darum, weil ſie eine Erſcheinung iſt, unter dem Namen der liebenswuͤrdi- gen Grillenfaͤngerin, anſehnliche Er- oberungen ſollte machen koͤnnen. Jn der That, bey aller ihrer moraliſchen Sonderlichkeit, welche zuweilen nahe an das Uebertriebene, oder was einige Pedanterey nennen werden, zu gren- zen ſcheint, iſt ſie ein liebenswuͤrdiges Geſchoͤpfe; und wenn auf der einen Seite ihr ganzer Charakter mit allen ih- ren Begriffen und Grundſaͤtzen als eine in Handlung geſetzte Satyre uͤber das Hofleben und die große Welt angeſehen werden kann: ſo iſt auf der andern eben ſo gewiß, daß man nicht billiger und nachſichtlicher von den Vorzuͤgen und
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[XX/0024]
pfinden, zu urtheilen und zu handeln
mit dem Geſchmack, den Sitten
und Gewohnheiten der großen Welt
macht, — ſcheint ihr nicht die guͤnſtig-
ſte Aufnahme in der letztern vorherzu-
ſagen. Gleichwohl gebe ich noch nicht
alle Hoffnung auf, daß ſie nicht, eben
darum, weil ſie eine Erſcheinung iſt,
unter dem Namen der liebenswuͤrdi-
gen Grillenfaͤngerin, anſehnliche Er-
oberungen ſollte machen koͤnnen. Jn
der That, bey aller ihrer moraliſchen
Sonderlichkeit, welche zuweilen nahe
an das Uebertriebene, oder was einige
Pedanterey nennen werden, zu gren-
zen ſcheint, iſt ſie ein liebenswuͤrdiges
Geſchoͤpfe; und wenn auf der einen
Seite ihr ganzer Charakter mit allen ih-
ren Begriffen und Grundſaͤtzen als eine
in Handlung geſetzte Satyre uͤber das
Hofleben und die große Welt angeſehen
werden kann: ſo iſt auf der andern eben
ſo gewiß, daß man nicht billiger und
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/24>, abgerufen am 18.12.2024.
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