Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

selt; aber auch kalt, soll sie mein Eigen-
thum werden.

Der Morgen kam und fand mich wie
einen tollen brennenden Narren mit offener
Brust und verstörten Gesichtszügen am
Fenster. Der Spiegel zeigte mich mir
unter einer Satansgestalt, die fähig ge-
wesen wäre, das gute furchtsame Mäd-
chen auf immer vor mir zu verscheuchen.
Wild über die Gewalt, so sie über mich ge-
wonnen, und entschlossen, mich dafür
schadlos zu halten, warf ich mich aufs
Bette, und suchte einen Ausweg aus die-
sem Gemische von neuen Empfindungen
und meinen alten Grundsätzen zu finden.
Geduld brauchte es auf dem langweiligen
Weg, den ich vor mir sah; weil ich nicht
wissen konnte, daß der Nachmittag mir
zu einem großen Sprung helfen würde.
Als ich wieder in ihre Gesellschaft kam,
war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht;
das Fräulein stille und zurückhaltend.
Nach dem Essen ließ man uns junge Leu-
te wieder gehen, weil die Tante und die
Gräfin F* die Charte noch vollends zu

mischen
O

ſelt; aber auch kalt, ſoll ſie mein Eigen-
thum werden.

Der Morgen kam und fand mich wie
einen tollen brennenden Narren mit offener
Bruſt und verſtoͤrten Geſichtszuͤgen am
Fenſter. Der Spiegel zeigte mich mir
unter einer Satansgeſtalt, die faͤhig ge-
weſen waͤre, das gute furchtſame Maͤd-
chen auf immer vor mir zu verſcheuchen.
Wild uͤber die Gewalt, ſo ſie uͤber mich ge-
wonnen, und entſchloſſen, mich dafuͤr
ſchadlos zu halten, warf ich mich aufs
Bette, und ſuchte einen Ausweg aus die-
ſem Gemiſche von neuen Empfindungen
und meinen alten Grundſaͤtzen zu finden.
Geduld brauchte es auf dem langweiligen
Weg, den ich vor mir ſah; weil ich nicht
wiſſen konnte, daß der Nachmittag mir
zu einem großen Sprung helfen wuͤrde.
Als ich wieder in ihre Geſellſchaft kam,
war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht;
das Fraͤulein ſtille und zuruͤckhaltend.
Nach dem Eſſen ließ man uns junge Leu-
te wieder gehen, weil die Tante und die
Graͤfin F* die Charte noch vollends zu

miſchen
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="209"/><hi rendition="#fr">&#x017F;elt;</hi> aber auch kalt, &#x017F;oll &#x017F;ie mein Eigen-<lb/>
thum werden.</p><lb/>
          <p>Der Morgen kam und fand mich wie<lb/>
einen tollen brennenden Narren mit offener<lb/>
Bru&#x017F;t und ver&#x017F;to&#x0364;rten Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;gen am<lb/>
Fen&#x017F;ter. Der Spiegel zeigte mich mir<lb/>
unter einer Satansge&#x017F;talt, die fa&#x0364;hig ge-<lb/>
we&#x017F;en wa&#x0364;re, das gute furcht&#x017F;ame Ma&#x0364;d-<lb/>
chen auf immer vor mir zu ver&#x017F;cheuchen.<lb/>
Wild u&#x0364;ber die Gewalt, &#x017F;o &#x017F;ie u&#x0364;ber mich ge-<lb/>
wonnen, und ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, mich dafu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;chadlos zu halten, warf ich mich aufs<lb/>
Bette, und &#x017F;uchte einen Ausweg aus die-<lb/>
&#x017F;em Gemi&#x017F;che von neuen Empfindungen<lb/>
und meinen alten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen zu finden.<lb/>
Geduld brauchte es auf dem langweiligen<lb/>
Weg, den ich vor mir &#x017F;ah; weil ich nicht<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en konnte, daß der Nachmittag mir<lb/>
zu einem großen Sprung helfen wu&#x0364;rde.<lb/>
Als ich wieder in ihre Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft kam,<lb/>
war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht;<lb/>
das Fra&#x0364;ulein &#x017F;tille und zuru&#x0364;ckhaltend.<lb/>
Nach dem E&#x017F;&#x017F;en ließ man uns junge Leu-<lb/>
te wieder gehen, weil die Tante und die<lb/>
Gra&#x0364;fin F* die Charte noch vollends zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch">mi&#x017F;chen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0235] ſelt; aber auch kalt, ſoll ſie mein Eigen- thum werden. Der Morgen kam und fand mich wie einen tollen brennenden Narren mit offener Bruſt und verſtoͤrten Geſichtszuͤgen am Fenſter. Der Spiegel zeigte mich mir unter einer Satansgeſtalt, die faͤhig ge- weſen waͤre, das gute furchtſame Maͤd- chen auf immer vor mir zu verſcheuchen. Wild uͤber die Gewalt, ſo ſie uͤber mich ge- wonnen, und entſchloſſen, mich dafuͤr ſchadlos zu halten, warf ich mich aufs Bette, und ſuchte einen Ausweg aus die- ſem Gemiſche von neuen Empfindungen und meinen alten Grundſaͤtzen zu finden. Geduld brauchte es auf dem langweiligen Weg, den ich vor mir ſah; weil ich nicht wiſſen konnte, daß der Nachmittag mir zu einem großen Sprung helfen wuͤrde. Als ich wieder in ihre Geſellſchaft kam, war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht; das Fraͤulein ſtille und zuruͤckhaltend. Nach dem Eſſen ließ man uns junge Leu- te wieder gehen, weil die Tante und die Graͤfin F* die Charte noch vollends zu miſchen O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/235
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/235>, abgerufen am 24.11.2024.