ich eine Quelle entdeckt, meine Aufmerk- samkeit auf mich selbst zu verstärken, Kenntnisse, Empfindung und Ueberzeugung des Guten tiefer in mein Herz zu graben, und mich von Tag zu Tag mehr zu verst- chern, wie sehr ein großer Beobachter der menschlichen Handlungen, recht hatte, zu behaupten: "daß sehr wenige Personen seyn, welche das ganze Maaß ihrer mora- lischen und physikalischen Kräfte nützten." Denn in Wahrheit, ich habe viele leere Stellen in dem Cirkel meines Lebens ge- funden, zum Theil auch solche, die mit verwerflichen Sachen und nichts werthen Kleinigkeiten ausgefüllt waren. Das soll nun weggeräumet werden, und weil ich nicht unter der glücklichen Classe von Leu- ten bin, die gleich von Haus aus ganz klug, ganz gut sind; so will ich doch un- ter die gehören, die durch Wahrnehmun- gen des Schadens der andern, weise und rechtschaffen werden; um ja nicht unter die zu gerathen, welche nur durch Erfahrung und eignes Elend, besser wer- den können.
Fräulein
ich eine Quelle entdeckt, meine Aufmerk- ſamkeit auf mich ſelbſt zu verſtaͤrken, Kenntniſſe, Empfindung und Ueberzeugung des Guten tiefer in mein Herz zu graben, und mich von Tag zu Tag mehr zu verſt- chern, wie ſehr ein großer Beobachter der menſchlichen Handlungen, recht hatte, zu behaupten: „daß ſehr wenige Perſonen ſeyn, welche das ganze Maaß ihrer mora- liſchen und phyſikaliſchen Kraͤfte nuͤtzten.“ Denn in Wahrheit, ich habe viele leere Stellen in dem Cirkel meines Lebens ge- funden, zum Theil auch ſolche, die mit verwerflichen Sachen und nichts werthen Kleinigkeiten ausgefuͤllt waren. Das ſoll nun weggeraͤumet werden, und weil ich nicht unter der gluͤcklichen Claſſe von Leu- ten bin, die gleich von Haus aus ganz klug, ganz gut ſind; ſo will ich doch un- ter die gehoͤren, die durch Wahrnehmun- gen des Schadens der andern, weiſe und rechtſchaffen werden; um ja nicht unter die zu gerathen, welche nur durch Erfahrung und eignes Elend, beſſer wer- den koͤnnen.
Fraͤulein
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ich eine Quelle entdeckt, meine Aufmerk-
ſamkeit auf mich ſelbſt zu verſtaͤrken,
Kenntniſſe, Empfindung und Ueberzeugung
des Guten tiefer in mein Herz zu graben,
und mich von Tag zu Tag mehr zu verſt-
chern, wie ſehr ein großer Beobachter der
menſchlichen Handlungen, recht hatte, zu
behaupten: „daß ſehr wenige Perſonen
ſeyn, welche das ganze Maaß ihrer mora-
liſchen und phyſikaliſchen Kraͤfte nuͤtzten.“
Denn in Wahrheit, ich habe viele leere
Stellen in dem Cirkel meines Lebens ge-
funden, zum Theil auch ſolche, die mit
verwerflichen Sachen und nichts werthen
Kleinigkeiten ausgefuͤllt waren. Das ſoll
nun weggeraͤumet werden, und weil ich
nicht unter der gluͤcklichen Claſſe von Leu-
ten bin, die gleich von Haus aus ganz
klug, ganz gut ſind; ſo will ich doch un-
ter die gehoͤren, die durch Wahrnehmun-
gen des Schadens der andern, weiſe
und rechtſchaffen werden; um ja nicht
unter die zu gerathen, welche nur durch
Erfahrung und eignes Elend, beſſer wer-
den koͤnnen.
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/215>, abgerufen am 25.11.2024.
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