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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Fürst, Fürstin, Minister, Hofdame, Fa-
vorit, Mutter von diesen Kindern, Ge-
mahlin jenes Mannes, ja sogar auch
einmal in dem Platz einer regierenden und
alles führenden Maitresse; und überall
fand ich Gelegenheit auf mannichfaltige
Weise Güte und Klugheit auszuüben, oh-
ne daß die Charakter oder die politische
Umstände in eine unangenehme Einför-
migkeit gefallen wären. Bey vielen ha-
be ich Jdeen und Handlungen angetroffen,
deren Richtigkeit, Güte und Schönheit ich
so leicht nicht hätte erreichen, noch weni-
ger verbessern können; aber auch bey vie-
len war ich mit meinem Kopf und Herzen
besser zufrieden als mit dem Jhrigen.
Natürlicher Weise führte mich die Billig-
keit nach diesen phantastischen Reisen mei-
ner Eigenliebe auf mich selbst, und die
Pflichten zurück, die mir auszurichten
angewiesen sind. Sie verband mich so
genau und streng in Berechnung meiner
Talente und Kräfte für meinen Würkungs-
Kreis zu seyn, als ich es gegen andre
war; und dadurch, meine Emilia, habe

ich

Fuͤrſt, Fuͤrſtin, Miniſter, Hofdame, Fa-
vorit, Mutter von dieſen Kindern, Ge-
mahlin jenes Mannes, ja ſogar auch
einmal in dem Platz einer regierenden und
alles fuͤhrenden Maitreſſe; und uͤberall
fand ich Gelegenheit auf mannichfaltige
Weiſe Guͤte und Klugheit auszuuͤben, oh-
ne daß die Charakter oder die politiſche
Umſtaͤnde in eine unangenehme Einfoͤr-
migkeit gefallen waͤren. Bey vielen ha-
be ich Jdeen und Handlungen angetroffen,
deren Richtigkeit, Guͤte und Schoͤnheit ich
ſo leicht nicht haͤtte erreichen, noch weni-
ger verbeſſern koͤnnen; aber auch bey vie-
len war ich mit meinem Kopf und Herzen
beſſer zufrieden als mit dem Jhrigen.
Natuͤrlicher Weiſe fuͤhrte mich die Billig-
keit nach dieſen phantaſtiſchen Reiſen mei-
ner Eigenliebe auf mich ſelbſt, und die
Pflichten zuruͤck, die mir auszurichten
angewieſen ſind. Sie verband mich ſo
genau und ſtreng in Berechnung meiner
Talente und Kraͤfte fuͤr meinen Wuͤrkungs-
Kreis zu ſeyn, als ich es gegen andre
war; und dadurch, meine Emilia, habe

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[188/0214] Fuͤrſt, Fuͤrſtin, Miniſter, Hofdame, Fa- vorit, Mutter von dieſen Kindern, Ge- mahlin jenes Mannes, ja ſogar auch einmal in dem Platz einer regierenden und alles fuͤhrenden Maitreſſe; und uͤberall fand ich Gelegenheit auf mannichfaltige Weiſe Guͤte und Klugheit auszuuͤben, oh- ne daß die Charakter oder die politiſche Umſtaͤnde in eine unangenehme Einfoͤr- migkeit gefallen waͤren. Bey vielen ha- be ich Jdeen und Handlungen angetroffen, deren Richtigkeit, Guͤte und Schoͤnheit ich ſo leicht nicht haͤtte erreichen, noch weni- ger verbeſſern koͤnnen; aber auch bey vie- len war ich mit meinem Kopf und Herzen beſſer zufrieden als mit dem Jhrigen. Natuͤrlicher Weiſe fuͤhrte mich die Billig- keit nach dieſen phantaſtiſchen Reiſen mei- ner Eigenliebe auf mich ſelbſt, und die Pflichten zuruͤck, die mir auszurichten angewieſen ſind. Sie verband mich ſo genau und ſtreng in Berechnung meiner Talente und Kraͤfte fuͤr meinen Wuͤrkungs- Kreis zu ſeyn, als ich es gegen andre war; und dadurch, meine Emilia, habe ich

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/214>, abgerufen am 22.11.2024.