rer Cammerjungfer gewesen; der Graf Lö- bau und seine Gemahlin wären froh, daß der schwärmerische Briefwechsel, den das Fräulein mit diesem Manne unterhalten, nun ein Ende hätte, und man sie auf eine ihrem Stande gemäßere Denkungs- art leiten könne. Sie wären auch beyde mit ihm zu dem Fräulein gegangen, und hätten ihr ihre Traurigkeit und den Ent- schluß verwiesen, daß sie nicht in die Ge- sellschaft gehen wolle. Meine Tante, ha- be sie geantwortet, so viele Wochen habe ich der schuldigen Gefälligkeit gegen sie, und den Gewohnheiten des Hofes aufge- opfert; die Pflichten der Freundschaft und der Tugend mögen wohl auch einen Tag haben! Ja, habe die Gräfinn versetzt, aber deine Liebe ist immer nur auf eine Familie eingeschränkt gewesen; du bist gegen die Achtung und Zärtlichkeit, so man dir hier beweist, zu wenig empfind- lich. Das Fräulein: Meine gnädi- ge Tante, es ist mir leid, wenn ich Jh- nen undankbar scheine; aber verdiente der Mann, der meine Seele mit guten Grund-
sätzen,
rer Cammerjungfer geweſen; der Graf Loͤ- bau und ſeine Gemahlin waͤren froh, daß der ſchwaͤrmeriſche Briefwechſel, den das Fraͤulein mit dieſem Manne unterhalten, nun ein Ende haͤtte, und man ſie auf eine ihrem Stande gemaͤßere Denkungs- art leiten koͤnne. Sie waͤren auch beyde mit ihm zu dem Fraͤulein gegangen, und haͤtten ihr ihre Traurigkeit und den Ent- ſchluß verwieſen, daß ſie nicht in die Ge- ſellſchaft gehen wolle. Meine Tante, ha- be ſie geantwortet, ſo viele Wochen habe ich der ſchuldigen Gefaͤlligkeit gegen ſie, und den Gewohnheiten des Hofes aufge- opfert; die Pflichten der Freundſchaft und der Tugend moͤgen wohl auch einen Tag haben! Ja, habe die Graͤfinn verſetzt, aber deine Liebe iſt immer nur auf eine Familie eingeſchraͤnkt geweſen; du biſt gegen die Achtung und Zaͤrtlichkeit, ſo man dir hier beweiſt, zu wenig empfind- lich. Das Fraͤulein: Meine gnaͤdi- ge Tante, es iſt mir leid, wenn ich Jh- nen undankbar ſcheine; aber verdiente der Mann, der meine Seele mit guten Grund-
ſaͤtzen,
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rer Cammerjungfer geweſen; der Graf Loͤ-
bau und ſeine Gemahlin waͤren froh, daß
der ſchwaͤrmeriſche Briefwechſel, den das
Fraͤulein mit dieſem Manne unterhalten,
nun ein Ende haͤtte, und man ſie auf
eine ihrem Stande gemaͤßere Denkungs-
art leiten koͤnne. Sie waͤren auch beyde
mit ihm zu dem Fraͤulein gegangen, und
haͤtten ihr ihre Traurigkeit und den Ent-
ſchluß verwieſen, daß ſie nicht in die Ge-
ſellſchaft gehen wolle. Meine Tante, ha-
be ſie geantwortet, ſo viele Wochen habe
ich der ſchuldigen Gefaͤlligkeit gegen ſie,
und den Gewohnheiten des Hofes aufge-
opfert; die Pflichten der Freundſchaft und
der Tugend moͤgen wohl auch einen Tag
haben! Ja, habe die Graͤfinn verſetzt,
aber deine Liebe iſt immer nur auf eine
Familie eingeſchraͤnkt geweſen; du biſt
gegen die Achtung und Zaͤrtlichkeit, ſo
man dir hier beweiſt, zu wenig empfind-
lich. Das Fraͤulein: Meine gnaͤdi-
ge Tante, es iſt mir leid, wenn ich Jh-
nen undankbar ſcheine; aber verdiente der
Mann, der meine Seele mit guten Grund-
ſaͤtzen,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/201>, abgerufen am 23.11.2024.
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