sen. Mir, dem eigenmächtigen Her- ausgeber Jhres Manuscripts, wäre es also zugekommen, den Mängeln abzu- helfen, von denen ich selbst erwarte, daß sie den Kunstrichtern, wo nicht an- stößig seyn, doch den Wunsch, sie nicht zu sehen, abdringen könnten. Doch, indem ich von Kunstrichtern rede, den- ke ich an Männern von feinem Ge- schmack und reifem Urtheil; an Rich- ter, welche von kleinen Flecken an ei- nem schönen Werke nicht beleidiget werden, und zu billig sind, von einer freywillig hervorgekommenen Frucht der bloßen Natur und von einer durch die Kunst erzogenen, mühsam gepfle- geten Frucht (wiewohl, was den Ge- schmack anbetrifft, diese nicht selten jener den Vorzug lassen muß) einerley Voll- kommenheit zu fodern. Solche Ken- ner werden vermuthlich, eben so wohl wie ich, der Meynung seyn, daß eine moralische Dichtung, bey welcher es
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ſen. Mir, dem eigenmaͤchtigen Her- ausgeber Jhres Manuſcripts, waͤre es alſo zugekommen, den Maͤngeln abzu- helfen, von denen ich ſelbſt erwarte, daß ſie den Kunſtrichtern, wo nicht an- ſtoͤßig ſeyn, doch den Wunſch, ſie nicht zu ſehen, abdringen koͤnnten. Doch, indem ich von Kunſtrichtern rede, den- ke ich an Maͤnnern von feinem Ge- ſchmack und reifem Urtheil; an Rich- ter, welche von kleinen Flecken an ei- nem ſchoͤnen Werke nicht beleidiget werden, und zu billig ſind, von einer freywillig hervorgekommenen Frucht der bloßen Natur und von einer durch die Kunſt erzogenen, muͤhſam gepfle- geten Frucht (wiewohl, was den Ge- ſchmack anbetrifft, dieſe nicht ſelten jener den Vorzug laſſen muß) einerley Voll- kommenheit zu fodern. Solche Ken- ner werden vermuthlich, eben ſo wohl wie ich, der Meynung ſeyn, daß eine moraliſche Dichtung, bey welcher es
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[XV/0019]
ſen. Mir, dem eigenmaͤchtigen Her-
ausgeber Jhres Manuſcripts, waͤre es
alſo zugekommen, den Maͤngeln abzu-
helfen, von denen ich ſelbſt erwarte,
daß ſie den Kunſtrichtern, wo nicht an-
ſtoͤßig ſeyn, doch den Wunſch, ſie nicht
zu ſehen, abdringen koͤnnten. Doch,
indem ich von Kunſtrichtern rede, den-
ke ich an Maͤnnern von feinem Ge-
ſchmack und reifem Urtheil; an Rich-
ter, welche von kleinen Flecken an ei-
nem ſchoͤnen Werke nicht beleidiget
werden, und zu billig ſind, von einer
freywillig hervorgekommenen Frucht
der bloßen Natur und von einer durch
die Kunſt erzogenen, muͤhſam gepfle-
geten Frucht (wiewohl, was den Ge-
ſchmack anbetrifft, dieſe nicht ſelten jener
den Vorzug laſſen muß) einerley Voll-
kommenheit zu fodern. Solche Ken-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/19>, abgerufen am 24.11.2024.
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