gäbe, ich muß die Sorge sehen, daß ich es zu stören denke. Liebes Fräulein C*, ich will Jhnen diese Unruhe nehmen; denn ich wer- de meinen Augen das Vergnügen versagen, Milord Seymour anzuschauen. Meine Blicke waren ohnehin flüchtig genug. Jch will Sie selbst nicht mehr aufsuchen, wenn Sie in einem glücklichen Gespräche mit dem liebenswerthen Manne begriffen sind. -- Sie sollen sehen, daß Sophie Sternheim das Glück ihres Herzens durch keinen Raub zu erhalten sucht! -- Emi- lia, eine Thräne füllte mein Auge bey diesem Gedanken. Aber der Verlust ei- ner geliebten Freundin, der einzigen, die ich hier hatte, der Verlust des Umgangs eines würdigen Mannes, den ich hochschä- tze, dieser Verlust verdient eine Thräne. D. wird mich keine andre kosten; Mor- gen, mein Kind, Morgen wünsche ich ab- zureisen.
Warum sagt mir Jhr Brief nichts von meinem Pflegvater; warum nichts von Jhrer Reise und von Jhrem Gesell- schafter?
Emilia,
L 2
gaͤbe, ich muß die Sorge ſehen, daß ich es zu ſtoͤren denke. Liebes Fraͤulein C*, ich will Jhnen dieſe Unruhe nehmen; denn ich wer- de meinen Augen das Vergnuͤgen verſagen, Milord Seymour anzuſchauen. Meine Blicke waren ohnehin fluͤchtig genug. Jch will Sie ſelbſt nicht mehr aufſuchen, wenn Sie in einem gluͤcklichen Geſpraͤche mit dem liebenswerthen Manne begriffen ſind. — Sie ſollen ſehen, daß Sophie Sternheim das Gluͤck ihres Herzens durch keinen Raub zu erhalten ſucht! — Emi- lia, eine Thraͤne fuͤllte mein Auge bey dieſem Gedanken. Aber der Verluſt ei- ner geliebten Freundin, der einzigen, die ich hier hatte, der Verluſt des Umgangs eines wuͤrdigen Mannes, den ich hochſchaͤ- tze, dieſer Verluſt verdient eine Thraͤne. D. wird mich keine andre koſten; Mor- gen, mein Kind, Morgen wuͤnſche ich ab- zureiſen.
Warum ſagt mir Jhr Brief nichts von meinem Pflegvater; warum nichts von Jhrer Reiſe und von Jhrem Geſell- ſchafter?
Emilia,
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gaͤbe, ich muß die Sorge ſehen, daß ich es
zu ſtoͤren denke. Liebes Fraͤulein C*, ich will
Jhnen dieſe Unruhe nehmen; denn ich wer-
de meinen Augen das Vergnuͤgen verſagen,
Milord Seymour anzuſchauen. Meine
Blicke waren ohnehin fluͤchtig genug. Jch
will Sie ſelbſt nicht mehr aufſuchen, wenn
Sie in einem gluͤcklichen Geſpraͤche mit
dem liebenswerthen Manne begriffen
ſind. — Sie ſollen ſehen, daß Sophie
Sternheim das Gluͤck ihres Herzens durch
keinen Raub zu erhalten ſucht! — Emi-
lia, eine Thraͤne fuͤllte mein Auge bey
dieſem Gedanken. Aber der Verluſt ei-
ner geliebten Freundin, der einzigen, die
ich hier hatte, der Verluſt des Umgangs
eines wuͤrdigen Mannes, den ich hochſchaͤ-
tze, dieſer Verluſt verdient eine Thraͤne.
D. wird mich keine andre koſten; Mor-
gen, mein Kind, Morgen wuͤnſche ich ab-
zureiſen.
Warum ſagt mir Jhr Brief nichts von
meinem Pflegvater; warum nichts von
Jhrer Reiſe und von Jhrem Geſell-
ſchafter?
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/189>, abgerufen am 27.11.2024.
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