Heute erzählte mir die Gräfin F. mit vielem Wortgepränge das Lob des Für- sten über meine Person und meinen Geist.
Morgen giebt der Graf ein großes Mittagessen, und ich soll dabey seyn. Niemals, seitdem ich hier bin, hatte ich die Empfindungen eines Vergnügens nach meinem Geschmack. Die Freundschaft des Fräulein C* war das Einzige, was mich erfreute; aber auch diese ist nicht mehr was sie war. Sie spricht so kalt; sie besucht mich nicht mehr; wir kommen beym Spiel nicht mehr zusammen; und wenn ich mich ihr, oder dem Milord Seymour nähere, welche immer zusam- men reden, so schweigen sie, und Milord entfernt sich traurig, bewegt; und das Fräulein sieht ihm nach, und ist zerstreut. Was soll ich benken? Will das Fräulein nicht, daß ich Milorden spreche? Geht er weg, um ihr seine vollkommene Ergeben- heit zu zeigen? Denn er redt mit keiner andern Seele als mit ihr. O mein Kind, wie fremd ist mein Herz in diesem Lande! Jch, die mein Glück für anderer ihres hin-
gäbe,
Heute erzaͤhlte mir die Graͤfin F. mit vielem Wortgepraͤnge das Lob des Fuͤr- ſten uͤber meine Perſon und meinen Geiſt.
Morgen giebt der Graf ein großes Mittageſſen, und ich ſoll dabey ſeyn. Niemals, ſeitdem ich hier bin, hatte ich die Empfindungen eines Vergnuͤgens nach meinem Geſchmack. Die Freundſchaft des Fraͤulein C* war das Einzige, was mich erfreute; aber auch dieſe iſt nicht mehr was ſie war. Sie ſpricht ſo kalt; ſie beſucht mich nicht mehr; wir kommen beym Spiel nicht mehr zuſammen; und wenn ich mich ihr, oder dem Milord Seymour naͤhere, welche immer zuſam- men reden, ſo ſchweigen ſie, und Milord entfernt ſich traurig, bewegt; und das Fraͤulein ſieht ihm nach, und iſt zerſtreut. Was ſoll ich benken? Will das Fraͤulein nicht, daß ich Milorden ſpreche? Geht er weg, um ihr ſeine vollkommene Ergeben- heit zu zeigen? Denn er redt mit keiner andern Seele als mit ihr. O mein Kind, wie fremd iſt mein Herz in dieſem Lande! Jch, die mein Gluͤck fuͤr anderer ihres hin-
gaͤbe,
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Heute erzaͤhlte mir die Graͤfin F. mit
vielem Wortgepraͤnge das Lob des Fuͤr-
ſten uͤber meine Perſon und meinen Geiſt.
Morgen giebt der Graf ein großes
Mittageſſen, und ich ſoll dabey ſeyn.
Niemals, ſeitdem ich hier bin, hatte ich
die Empfindungen eines Vergnuͤgens nach
meinem Geſchmack. Die Freundſchaft
des Fraͤulein C* war das Einzige, was
mich erfreute; aber auch dieſe iſt nicht
mehr was ſie war. Sie ſpricht ſo kalt;
ſie beſucht mich nicht mehr; wir kommen
beym Spiel nicht mehr zuſammen; und
wenn ich mich ihr, oder dem Milord
Seymour naͤhere, welche immer zuſam-
men reden, ſo ſchweigen ſie, und Milord
entfernt ſich traurig, bewegt; und das
Fraͤulein ſieht ihm nach, und iſt zerſtreut.
Was ſoll ich benken? Will das Fraͤulein
nicht, daß ich Milorden ſpreche? Geht er
weg, um ihr ſeine vollkommene Ergeben-
heit zu zeigen? Denn er redt mit keiner
andern Seele als mit ihr. O mein Kind,
wie fremd iſt mein Herz in dieſem Lande!
Jch, die mein Gluͤck fuͤr anderer ihres hin-
gaͤbe,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/188>, abgerufen am 27.11.2024.
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