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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ich gleich Anfangs sagen wollte, daß ich
in einer jungen Dame die schöne und
glückliche Mischung der beyden National-
charaktere gesehen habe. Jhre Großmut-
ter mütterlicher Seite war eine Tochter des
alten Sir Watson, und ihr Vater, der
verdienstvolle Mann, dessen Andenken
in dem edelsten Ruhme blühte. Diese
junge Dame ist eine Freundin des Fräu-
lein C*, von welchem ich Jhnen schon ge-
schrieben habe, das Fräulein Sternheim
ist aber erst seit einigen Wochen hier und
zwar zum erstenmal: vorher war sie im-
mer auf dem Lande gewesen. Erwarten
Sie keine Ausrufungen über ihre Schön-
heit; aber glauben Sie mir, wenn ich
sage, daß alle mögliche Grazien, deren die
Bildung und Bewegung eines Frauen-
zimmers fähig ist, in ihr vereinigt
sind; eine holde Ernsthaftigkeit in ihrem
Gesicht, eine edle anständige Höflichkeit
in ihrem Bezeugen, die äußerste Zärtlich-
keit gegen ihre Freundin, eine anbetungs-
würdige Güte und die feinste Empfind-
samkeit der Seele; ist dieß nicht die Stärke

des
K 2

ich gleich Anfangs ſagen wollte, daß ich
in einer jungen Dame die ſchoͤne und
gluͤckliche Miſchung der beyden National-
charaktere geſehen habe. Jhre Großmut-
ter muͤtterlicher Seite war eine Tochter des
alten Sir Watſon, und ihr Vater, der
verdienſtvolle Mann, deſſen Andenken
in dem edelſten Ruhme bluͤhte. Dieſe
junge Dame iſt eine Freundin des Fraͤu-
lein C*, von welchem ich Jhnen ſchon ge-
ſchrieben habe, das Fraͤulein Sternheim
iſt aber erſt ſeit einigen Wochen hier und
zwar zum erſtenmal: vorher war ſie im-
mer auf dem Lande geweſen. Erwarten
Sie keine Ausrufungen uͤber ihre Schoͤn-
heit; aber glauben Sie mir, wenn ich
ſage, daß alle moͤgliche Grazien, deren die
Bildung und Bewegung eines Frauen-
zimmers faͤhig iſt, in ihr vereinigt
ſind; eine holde Ernſthaftigkeit in ihrem
Geſicht, eine edle anſtaͤndige Hoͤflichkeit
in ihrem Bezeugen, die aͤußerſte Zaͤrtlich-
keit gegen ihre Freundin, eine anbetungs-
wuͤrdige Guͤte und die feinſte Empfind-
ſamkeit der Seele; iſt dieß nicht die Staͤrke

des
K 2
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[147/0173] ich gleich Anfangs ſagen wollte, daß ich in einer jungen Dame die ſchoͤne und gluͤckliche Miſchung der beyden National- charaktere geſehen habe. Jhre Großmut- ter muͤtterlicher Seite war eine Tochter des alten Sir Watſon, und ihr Vater, der verdienſtvolle Mann, deſſen Andenken in dem edelſten Ruhme bluͤhte. Dieſe junge Dame iſt eine Freundin des Fraͤu- lein C*, von welchem ich Jhnen ſchon ge- ſchrieben habe, das Fraͤulein Sternheim iſt aber erſt ſeit einigen Wochen hier und zwar zum erſtenmal: vorher war ſie im- mer auf dem Lande geweſen. Erwarten Sie keine Ausrufungen uͤber ihre Schoͤn- heit; aber glauben Sie mir, wenn ich ſage, daß alle moͤgliche Grazien, deren die Bildung und Bewegung eines Frauen- zimmers faͤhig iſt, in ihr vereinigt ſind; eine holde Ernſthaftigkeit in ihrem Geſicht, eine edle anſtaͤndige Hoͤflichkeit in ihrem Bezeugen, die aͤußerſte Zaͤrtlich- keit gegen ihre Freundin, eine anbetungs- wuͤrdige Guͤte und die feinſte Empfind- ſamkeit der Seele; iſt dieß nicht die Staͤrke des K 2

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/173>, abgerufen am 25.11.2024.