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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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wohner bey ihnen versammelt. Die
sechs Tage über, welche wir da zubrach-
ten, kam ich durch das Spielen auf eine
Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter-
sucht haben möchte. Es waren viele
Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung
man nothwendiger Weise Spieltische ma-
chen mußte. Denn unter zwanzig Perso-
nen waren gewiß die meisten von sehr ver-
schiedenem Geist und Sinnesart, welches
sich bey der Mittagstafel und dem Spa-
ziergang am stärksten äußerte, wo jeder
nach seinen herrschenden Begriffen und
Neigungen von allen vorkommenden Ge-
genständen redete, und wo öfters theils
die feinern Empfindungen der Tugend,
theils die Pflichten der Menschenfreund-
lichkeit beleidigt worden waren. Bey
dem Spielen aber hatten alle nur Einen
Geist, indem sie sich denen dabey ein-
geführten Gesetzen ohne den geringsten
Widerspruch unterwarfen; keines wur-
de unmuthig, wenn man ihm sagte,
daß hier und da wider die Regeln
gefehlt worden sey; man gestund es,

und

wohner bey ihnen verſammelt. Die
ſechs Tage uͤber, welche wir da zubrach-
ten, kam ich durch das Spielen auf eine
Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter-
ſucht haben moͤchte. Es waren viele
Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung
man nothwendiger Weiſe Spieltiſche ma-
chen mußte. Denn unter zwanzig Perſo-
nen waren gewiß die meiſten von ſehr ver-
ſchiedenem Geiſt und Sinnesart, welches
ſich bey der Mittagstafel und dem Spa-
ziergang am ſtaͤrkſten aͤußerte, wo jeder
nach ſeinen herrſchenden Begriffen und
Neigungen von allen vorkommenden Ge-
genſtaͤnden redete, und wo oͤfters theils
die feinern Empfindungen der Tugend,
theils die Pflichten der Menſchenfreund-
lichkeit beleidigt worden waren. Bey
dem Spielen aber hatten alle nur Einen
Geiſt, indem ſie ſich denen dabey ein-
gefuͤhrten Geſetzen ohne den geringſten
Widerſpruch unterwarfen; keines wur-
de unmuthig, wenn man ihm ſagte,
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[136/0162] wohner bey ihnen verſammelt. Die ſechs Tage uͤber, welche wir da zubrach- ten, kam ich durch das Spielen auf eine Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter- ſucht haben moͤchte. Es waren viele Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung man nothwendiger Weiſe Spieltiſche ma- chen mußte. Denn unter zwanzig Perſo- nen waren gewiß die meiſten von ſehr ver- ſchiedenem Geiſt und Sinnesart, welches ſich bey der Mittagstafel und dem Spa- ziergang am ſtaͤrkſten aͤußerte, wo jeder nach ſeinen herrſchenden Begriffen und Neigungen von allen vorkommenden Ge- genſtaͤnden redete, und wo oͤfters theils die feinern Empfindungen der Tugend, theils die Pflichten der Menſchenfreund- lichkeit beleidigt worden waren. Bey dem Spielen aber hatten alle nur Einen Geiſt, indem ſie ſich denen dabey ein- gefuͤhrten Geſetzen ohne den geringſten Widerſpruch unterwarfen; keines wur- de unmuthig, wenn man ihm ſagte, daß hier und da wider die Regeln gefehlt worden ſey; man geſtund es, und

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/162>, abgerufen am 27.11.2024.