mir, meine Freundin, wie hätte ich, mit dem Herzen, welches Sie nun so viele Jahre kennen, und unter allen meinen äußerlichen und innerlichen Veränderungen immer sich selbst gleich befunden haben, solchen Vorstellungen widerstehen können? Es war al- so sogleich bey mir beschlossen, Co- peyen für alle unsre Freunde und Freundinnen, und für alle, die es seyn würden, wenn sie uns kennten, ma- chen zu lassen; ich dachte so gut von unsern Zeitgenossen, daß ich eine große Menge solcher Copeyen nöthig zu ha- ben glaubte; und so schickte ich die meinige an meinen Freund Reich, ihm überlassend, deren so viele zu ma- chen, als ihm selbst belieben würde. Doch nein! So schnell gieng es nicht zu. Bey aller Wärme meines Her- zens blieb doch mein Kopf kalt genug, um alles in Betrachtung zu ziehen, was vermögend schien, mich von mei-
nem
mir, meine Freundin, wie haͤtte ich, mit dem Herzen, welches Sie nun ſo viele Jahre kennen, und unter allen meinen aͤußerlichen und innerlichen Veraͤnderungen immer ſich ſelbſt gleich befunden haben, ſolchen Vorſtellungen widerſtehen koͤnnen? Es war al- ſo ſogleich bey mir beſchloſſen, Co- peyen fuͤr alle unſre Freunde und Freundinnen, und fuͤr alle, die es ſeyn wuͤrden, wenn ſie uns kennten, ma- chen zu laſſen; ich dachte ſo gut von unſern Zeitgenoſſen, daß ich eine große Menge ſolcher Copeyen noͤthig zu ha- ben glaubte; und ſo ſchickte ich die meinige an meinen Freund Reich, ihm uͤberlaſſend, deren ſo viele zu ma- chen, als ihm ſelbſt belieben wuͤrde. Doch nein! So ſchnell gieng es nicht zu. Bey aller Waͤrme meines Her- zens blieb doch mein Kopf kalt genug, um alles in Betrachtung zu ziehen, was vermoͤgend ſchien, mich von mei-
nem
<TEI><text><front><divtype="dedication"><p><pbfacs="#f0016"n="XII"/>
mir, meine Freundin, wie haͤtte ich,<lb/>
mit dem Herzen, welches Sie nun ſo<lb/>
viele Jahre kennen, und unter allen<lb/>
meinen aͤußerlichen und innerlichen<lb/>
Veraͤnderungen immer ſich ſelbſt gleich<lb/>
befunden haben, ſolchen Vorſtellungen<lb/>
widerſtehen koͤnnen? Es war al-<lb/>ſo ſogleich bey mir beſchloſſen, Co-<lb/>
peyen fuͤr alle unſre Freunde und<lb/>
Freundinnen, und fuͤr alle, die es ſeyn<lb/>
wuͤrden, wenn ſie uns kennten, ma-<lb/>
chen zu laſſen; ich dachte ſo gut von<lb/>
unſern Zeitgenoſſen, daß ich eine große<lb/>
Menge ſolcher Copeyen noͤthig zu ha-<lb/>
ben glaubte; und ſo ſchickte ich die<lb/>
meinige an meinen Freund Reich,<lb/>
ihm uͤberlaſſend, deren ſo viele zu ma-<lb/>
chen, als ihm ſelbſt belieben wuͤrde.<lb/>
Doch nein! So ſchnell gieng es nicht<lb/>
zu. Bey aller Waͤrme meines Her-<lb/>
zens blieb doch mein Kopf kalt genug,<lb/>
um alles in Betrachtung zu ziehen,<lb/>
was vermoͤgend ſchien, mich von mei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nem</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[XII/0016]
mir, meine Freundin, wie haͤtte ich,
mit dem Herzen, welches Sie nun ſo
viele Jahre kennen, und unter allen
meinen aͤußerlichen und innerlichen
Veraͤnderungen immer ſich ſelbſt gleich
befunden haben, ſolchen Vorſtellungen
widerſtehen koͤnnen? Es war al-
ſo ſogleich bey mir beſchloſſen, Co-
peyen fuͤr alle unſre Freunde und
Freundinnen, und fuͤr alle, die es ſeyn
wuͤrden, wenn ſie uns kennten, ma-
chen zu laſſen; ich dachte ſo gut von
unſern Zeitgenoſſen, daß ich eine große
Menge ſolcher Copeyen noͤthig zu ha-
ben glaubte; und ſo ſchickte ich die
meinige an meinen Freund Reich,
ihm uͤberlaſſend, deren ſo viele zu ma-
chen, als ihm ſelbſt belieben wuͤrde.
Doch nein! So ſchnell gieng es nicht
zu. Bey aller Waͤrme meines Her-
zens blieb doch mein Kopf kalt genug,
um alles in Betrachtung zu ziehen,
was vermoͤgend ſchien, mich von mei-
nem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.