sucht, wo man es nicht findet, und dar- über das Leben vertändelt.
Mein Fräulein C* hat Lection im Eng- lischen angenommen; ich denke, sie wird es bald lernen. Sie weiß schon viele, lau- ter zärtliche Redensarten, an denen ich den Lehrmeister erkenne. Sie hat mit uns gespeist. Jch klagte meine Tante, über ihren Bücherraub, im Scherz an. Das Fräulein stund ihr bey: Das ist gut ausgedacht, sagte sie, wir wollen sehen, was der Geist unsrer Sternheim macht, wenn sie ohne Führer, ohne Ausleger, mit uns lebt. Jch lachte mit, und sagte: Jch verlasse mich auf den rechtschaffenen Gelehrten, der einmal sagte: die Em- pfindungen der Frauenzimmer wären oft richtiger als die Gedanken der Män- ner.*) -- Darauf erhielt ich die Er- laubniß zu arbeiten. Jch sagte, es wäre mir unmöglich am Putztisch immer zuzuse- hen, Nachmittags allezeit zu spielen, oder
müßig
*) Eine Bemerkung, welche der Herausgeber aus vieler Erfahrung an sich und andern von Herzen unterschreibt.
ſucht, wo man es nicht findet, und dar- uͤber das Leben vertaͤndelt.
Mein Fraͤulein C* hat Lection im Eng- liſchen angenommen; ich denke, ſie wird es bald lernen. Sie weiß ſchon viele, lau- ter zaͤrtliche Redensarten, an denen ich den Lehrmeiſter erkenne. Sie hat mit uns geſpeiſt. Jch klagte meine Tante, uͤber ihren Buͤcherraub, im Scherz an. Das Fraͤulein ſtund ihr bey: Das iſt gut ausgedacht, ſagte ſie, wir wollen ſehen, was der Geiſt unſrer Sternheim macht, wenn ſie ohne Fuͤhrer, ohne Ausleger, mit uns lebt. Jch lachte mit, und ſagte: Jch verlaſſe mich auf den rechtſchaffenen Gelehrten, der einmal ſagte: die Em- pfindungen der Frauenzimmer waͤren oft richtiger als die Gedanken der Maͤn- ner.*) — Darauf erhielt ich die Er- laubniß zu arbeiten. Jch ſagte, es waͤre mir unmoͤglich am Putztiſch immer zuzuſe- hen, Nachmittags allezeit zu ſpielen, oder
muͤßig
*) Eine Bemerkung, welche der Herausgeber aus vieler Erfahrung an ſich und andern von Herzen unterſchreibt.
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ſucht, wo man es nicht findet, und dar-
uͤber das Leben vertaͤndelt.
Mein Fraͤulein C* hat Lection im Eng-
liſchen angenommen; ich denke, ſie wird
es bald lernen. Sie weiß ſchon viele, lau-
ter zaͤrtliche Redensarten, an denen ich
den Lehrmeiſter erkenne. Sie hat mit
uns geſpeiſt. Jch klagte meine Tante,
uͤber ihren Buͤcherraub, im Scherz an.
Das Fraͤulein ſtund ihr bey: Das iſt gut
ausgedacht, ſagte ſie, wir wollen ſehen,
was der Geiſt unſrer Sternheim macht,
wenn ſie ohne Fuͤhrer, ohne Ausleger,
mit uns lebt. Jch lachte mit, und ſagte:
Jch verlaſſe mich auf den rechtſchaffenen
Gelehrten, der einmal ſagte: die Em-
pfindungen der Frauenzimmer waͤren
oft richtiger als die Gedanken der Maͤn-
ner. *) — Darauf erhielt ich die Er-
laubniß zu arbeiten. Jch ſagte, es waͤre
mir unmoͤglich am Putztiſch immer zuzuſe-
hen, Nachmittags allezeit zu ſpielen, oder
muͤßig
*) Eine Bemerkung, welche der Herausgeber
aus vieler Erfahrung an ſich und andern von
Herzen unterſchreibt.
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/153>, abgerufen am 23.11.2024.
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