Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

sein Hof werden mir eine Gesellschaft un-
menschlicher Personen scheinen, die ein
Vergnügen in dem unermeßlichen Unter-
schied finden, der zwischen ihnen und
denenjenigen ist, die ihrem Uebermuth zu-
sehen.

Liebes, liebes Kind; was für eine ei-
frige Strafpredigt halten Sie da! sagte
das Fräulein; reden Sie nicht so stark!

Liebe C*, mein Herz ist aufgewallt.
Die Gräfin F. machte gestern so viel
Rühmens von der großen Freygebigkeit
des Fürsten; und heute sehe ich so viele
Unglückliche!

Das Fräulein hielt meine Hände; st.
st. -- Milord Seymour hatte mich mit
ernstem unverwandtem Blick betrachtet,
und erhob seine Hand gegen mich; Edles
rechtschaffenes Herz! sagte er. Fräulein
C* lieben Sie ihre Freundin, Sie ver-
dients! Aber, setzte er hinzu, Sie müs-
sen den Fürsten nicht verurtheilen; man
unterrichtet die großen Herren sehr selten
von dem wahren Zustande ihrer Unter-
thanen.

Jch

ſein Hof werden mir eine Geſellſchaft un-
menſchlicher Perſonen ſcheinen, die ein
Vergnuͤgen in dem unermeßlichen Unter-
ſchied finden, der zwiſchen ihnen und
denenjenigen iſt, die ihrem Uebermuth zu-
ſehen.

Liebes, liebes Kind; was fuͤr eine ei-
frige Strafpredigt halten Sie da! ſagte
das Fraͤulein; reden Sie nicht ſo ſtark!

Liebe C*, mein Herz iſt aufgewallt.
Die Graͤfin F. machte geſtern ſo viel
Ruͤhmens von der großen Freygebigkeit
des Fuͤrſten; und heute ſehe ich ſo viele
Ungluͤckliche!

Das Fraͤulein hielt meine Haͤnde; ſt.
ſt. — Milord Seymour hatte mich mit
ernſtem unverwandtem Blick betrachtet,
und erhob ſeine Hand gegen mich; Edles
rechtſchaffenes Herz! ſagte er. Fraͤulein
C* lieben Sie ihre Freundin, Sie ver-
dients! Aber, ſetzte er hinzu, Sie muͤſ-
ſen den Fuͤrſten nicht verurtheilen; man
unterrichtet die großen Herren ſehr ſelten
von dem wahren Zuſtande ihrer Unter-
thanen.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="122"/>
&#x017F;ein Hof werden mir eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft un-<lb/>
men&#x017F;chlicher Per&#x017F;onen &#x017F;cheinen, die ein<lb/>
Vergnu&#x0364;gen in dem unermeßlichen Unter-<lb/>
&#x017F;chied finden, der zwi&#x017F;chen ihnen und<lb/>
denenjenigen i&#x017F;t, die ihrem Uebermuth zu-<lb/>
&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Liebes, liebes Kind; was fu&#x0364;r eine ei-<lb/>
frige Strafpredigt halten Sie da! &#x017F;agte<lb/>
das Fra&#x0364;ulein; reden Sie nicht &#x017F;o &#x017F;tark!</p><lb/>
          <p>Liebe C*, mein Herz i&#x017F;t aufgewallt.<lb/>
Die Gra&#x0364;fin F. machte ge&#x017F;tern &#x017F;o viel<lb/>
Ru&#x0364;hmens von der großen Freygebigkeit<lb/>
des Fu&#x0364;r&#x017F;ten; und heute &#x017F;ehe ich &#x017F;o viele<lb/>
Unglu&#x0364;ckliche!</p><lb/>
          <p>Das Fra&#x0364;ulein hielt meine Ha&#x0364;nde; &#x017F;t.<lb/>
&#x017F;t. &#x2014; Milord Seymour hatte mich mit<lb/>
ern&#x017F;tem unverwandtem Blick betrachtet,<lb/>
und erhob &#x017F;eine Hand gegen mich; Edles<lb/>
recht&#x017F;chaffenes Herz! &#x017F;agte er. Fra&#x0364;ulein<lb/>
C* lieben Sie ihre Freundin, Sie ver-<lb/>
dients! Aber, &#x017F;etzte er hinzu, Sie mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en den Fu&#x0364;r&#x017F;ten nicht verurtheilen; man<lb/>
unterrichtet die großen Herren &#x017F;ehr &#x017F;elten<lb/>
von dem wahren Zu&#x017F;tande ihrer Unter-<lb/>
thanen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0148] ſein Hof werden mir eine Geſellſchaft un- menſchlicher Perſonen ſcheinen, die ein Vergnuͤgen in dem unermeßlichen Unter- ſchied finden, der zwiſchen ihnen und denenjenigen iſt, die ihrem Uebermuth zu- ſehen. Liebes, liebes Kind; was fuͤr eine ei- frige Strafpredigt halten Sie da! ſagte das Fraͤulein; reden Sie nicht ſo ſtark! Liebe C*, mein Herz iſt aufgewallt. Die Graͤfin F. machte geſtern ſo viel Ruͤhmens von der großen Freygebigkeit des Fuͤrſten; und heute ſehe ich ſo viele Ungluͤckliche! Das Fraͤulein hielt meine Haͤnde; ſt. ſt. — Milord Seymour hatte mich mit ernſtem unverwandtem Blick betrachtet, und erhob ſeine Hand gegen mich; Edles rechtſchaffenes Herz! ſagte er. Fraͤulein C* lieben Sie ihre Freundin, Sie ver- dients! Aber, ſetzte er hinzu, Sie muͤſ- ſen den Fuͤrſten nicht verurtheilen; man unterrichtet die großen Herren ſehr ſelten von dem wahren Zuſtande ihrer Unter- thanen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/148
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/148>, abgerufen am 23.11.2024.