viele in armseliger Gestalt und Kleidung, und uns hingegen in möglichster Pracht, und die Menge Goldes auf den Spiel- tischen zerstreut sah; das Fräulein C* aber von einem dergleichen Festin erzähl- te, dessen Aufwand berechnete, und auch die unzählige Menge Volks anführte, die von allen Orten herzugelaufen, es zu se- hen; kam ich in Bewegung, und sagte: O wie wenig bin ich für diese Ergötzlich- keiten geschaffen?
"Warum das? wenn Sie es einmal sehen, werden Sie ganz anders denken." (Milord Seymour war die ganze Zeit still und kalt) Nein, meine liebe C*, ich wer- de nicht anders denken, so bald ich die Pracht des Festins, des Hofes, das auf den Spieltischen verschleuderte Gold, ne- ben einer Menge Elender, welche Hunger und Bedürfniß im abgezehrten Gesichte und in den zerrissnen Kleidern zeigen, se- hen werde! Dieser Contrast wird meine Seele mit Jammer erfüllen; ich werde mein eignes glückliches Aussehen, und das von andern hassen; der Fürst und
sein
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viele in armſeliger Geſtalt und Kleidung, und uns hingegen in moͤglichſter Pracht, und die Menge Goldes auf den Spiel- tiſchen zerſtreut ſah; das Fraͤulein C* aber von einem dergleichen Feſtin erzaͤhl- te, deſſen Aufwand berechnete, und auch die unzaͤhlige Menge Volks anfuͤhrte, die von allen Orten herzugelaufen, es zu ſe- hen; kam ich in Bewegung, und ſagte: O wie wenig bin ich fuͤr dieſe Ergoͤtzlich- keiten geſchaffen?
„Warum das? wenn Sie es einmal ſehen, werden Sie ganz anders denken.„ (Milord Seymour war die ganze Zeit ſtill und kalt) Nein, meine liebe C*, ich wer- de nicht anders denken, ſo bald ich die Pracht des Feſtins, des Hofes, das auf den Spieltiſchen verſchleuderte Gold, ne- ben einer Menge Elender, welche Hunger und Beduͤrfniß im abgezehrten Geſichte und in den zerriſſnen Kleidern zeigen, ſe- hen werde! Dieſer Contraſt wird meine Seele mit Jammer erfuͤllen; ich werde mein eignes gluͤckliches Ausſehen, und das von andern haſſen; der Fuͤrſt und
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viele in armſeliger Geſtalt und Kleidung,
und uns hingegen in moͤglichſter Pracht,
und die Menge Goldes auf den Spiel-
tiſchen zerſtreut ſah; das Fraͤulein C*
aber von einem dergleichen Feſtin erzaͤhl-
te, deſſen Aufwand berechnete, und auch
die unzaͤhlige Menge Volks anfuͤhrte, die
von allen Orten herzugelaufen, es zu ſe-
hen; kam ich in Bewegung, und ſagte:
O wie wenig bin ich fuͤr dieſe Ergoͤtzlich-
keiten geſchaffen?
„Warum das? wenn Sie es einmal
ſehen, werden Sie ganz anders denken.„
(Milord Seymour war die ganze Zeit ſtill
und kalt) Nein, meine liebe C*, ich wer-
de nicht anders denken, ſo bald ich die
Pracht des Feſtins, des Hofes, das auf
den Spieltiſchen verſchleuderte Gold, ne-
ben einer Menge Elender, welche Hunger
und Beduͤrfniß im abgezehrten Geſichte
und in den zerriſſnen Kleidern zeigen, ſe-
hen werde! Dieſer Contraſt wird meine
Seele mit Jammer erfuͤllen; ich werde
mein eignes gluͤckliches Ausſehen, und
das von andern haſſen; der Fuͤrſt und
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/147>, abgerufen am 27.11.2024.
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