Der Gesandte macht mit seiner Figur, einer edeln und geistvollen Physionomie, und einer gewissen Würde, die seine Höf- lichkeit begleitet, seinem Charakter Ehre. Jch hörte ihn auch allgemein loben.
Den jungen Lord Seymour sah ich eine halbe Stunde in Gesellschaft des Fräuleins C**, mit der ich in Unterredung war, und mit welcher er als ein zärtlicher und hoch- achtungsvoller Freund umgeht. Sie stell- te mich ihm als ihre neue, aber liebste Freundin dar, von der sie unzertrennlich seyn würde, wenn sie über ihr eigenes und mein Schicksal zu gebiethen hätte. Milord machte nichts als eine Verbeugung; aber seine Seele redete so deutlich in allen sei- nen Mienen, daß man zugleich seine Ach- tung für alles was das Fräulein C* sag- te, und auch den Beyfall lesen konnte, den er ihrer Freundin gab.
Wenn ich den Auftrag bekäme, den Edelmuth und die Menschenliebe mit ei- nem aufgeklärten Geist vereinigt, in ei- nem Bilde vorzustellen, so nähme ich ganz allein die Person und Züge des Mi-
lord
G 5
Der Geſandte macht mit ſeiner Figur, einer edeln und geiſtvollen Phyſionomie, und einer gewiſſen Wuͤrde, die ſeine Hoͤf- lichkeit begleitet, ſeinem Charakter Ehre. Jch hoͤrte ihn auch allgemein loben.
Den jungen Lord Seymour ſah ich eine halbe Stunde in Geſellſchaft des Fraͤuleins C**, mit der ich in Unterredung war, und mit welcher er als ein zaͤrtlicher und hoch- achtungsvoller Freund umgeht. Sie ſtell- te mich ihm als ihre neue, aber liebſte Freundin dar, von der ſie unzertrennlich ſeyn wuͤrde, wenn ſie uͤber ihr eigenes und mein Schickſal zu gebiethen haͤtte. Milord machte nichts als eine Verbeugung; aber ſeine Seele redete ſo deutlich in allen ſei- nen Mienen, daß man zugleich ſeine Ach- tung fuͤr alles was das Fraͤulein C* ſag- te, und auch den Beyfall leſen konnte, den er ihrer Freundin gab.
Wenn ich den Auftrag bekaͤme, den Edelmuth und die Menſchenliebe mit ei- nem aufgeklaͤrten Geiſt vereinigt, in ei- nem Bilde vorzuſtellen, ſo naͤhme ich ganz allein die Perſon und Zuͤge des Mi-
lord
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Der Geſandte macht mit ſeiner Figur,
einer edeln und geiſtvollen Phyſionomie,
und einer gewiſſen Wuͤrde, die ſeine Hoͤf-
lichkeit begleitet, ſeinem Charakter Ehre.
Jch hoͤrte ihn auch allgemein loben.
Den jungen Lord Seymour ſah ich eine
halbe Stunde in Geſellſchaft des Fraͤuleins
C**, mit der ich in Unterredung war, und
mit welcher er als ein zaͤrtlicher und hoch-
achtungsvoller Freund umgeht. Sie ſtell-
te mich ihm als ihre neue, aber liebſte
Freundin dar, von der ſie unzertrennlich
ſeyn wuͤrde, wenn ſie uͤber ihr eigenes und
mein Schickſal zu gebiethen haͤtte. Milord
machte nichts als eine Verbeugung; aber
ſeine Seele redete ſo deutlich in allen ſei-
nen Mienen, daß man zugleich ſeine Ach-
tung fuͤr alles was das Fraͤulein C* ſag-
te, und auch den Beyfall leſen konnte,
den er ihrer Freundin gab.
Wenn ich den Auftrag bekaͤme, den
Edelmuth und die Menſchenliebe mit ei-
nem aufgeklaͤrten Geiſt vereinigt, in ei-
nem Bilde vorzuſtellen, ſo naͤhme ich
ganz allein die Perſon und Zuͤge des Mi-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/131>, abgerufen am 23.11.2024.
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