Hauptmann und Obersten gekannt hatte. Sie nennete mich die würdige Tochter des rechtschaffenen Mannes, und sagte, sie wolle mich öfters holen lassen. Sie glauben nun gewiß, meine Emilia, daß ich diese Fürstin um so mehr liebe, weil das Andenken meines Vaters von ihr ge- ehrt wird.
Mehrere Charakter kann ich Jhnen nicht bezeichnen. Die meisten sehen ein- ander ähnlich, in so fern man sie in dem Vorzimmer der Fürstin, oder bey gewöhn- lichen Besuchen sieht.
Gestern wurde ich im Schreiben unter- brochen, weil Assemblee (wie sie es nen- nen) bey der Prinzessin angesagt wurde. Da mußte ich die Zeit, welche mein Herz der Freundschaft gewidmet hatte, vor dem Putztisch verschwenden.
Glauben Sie wohl, daß meine liebe Rosine eben so ungeschickt ist, eine metho- dische Cammerjungfer zu seyn, als ich es bin, meinen Damenstand durch die lange Verweilung am Putztisch und durch un- schlüßige ekle Wahl meiner Kleidung und
Schmucks
G 4
Hauptmann und Oberſten gekannt hatte. Sie nennete mich die wuͤrdige Tochter des rechtſchaffenen Mannes, und ſagte, ſie wolle mich oͤfters holen laſſen. Sie glauben nun gewiß, meine Emilia, daß ich dieſe Fuͤrſtin um ſo mehr liebe, weil das Andenken meines Vaters von ihr ge- ehrt wird.
Mehrere Charakter kann ich Jhnen nicht bezeichnen. Die meiſten ſehen ein- ander aͤhnlich, in ſo fern man ſie in dem Vorzimmer der Fuͤrſtin, oder bey gewoͤhn- lichen Beſuchen ſieht.
Geſtern wurde ich im Schreiben unter- brochen, weil Aſſemblee (wie ſie es nen- nen) bey der Prinzeſſin angeſagt wurde. Da mußte ich die Zeit, welche mein Herz der Freundſchaft gewidmet hatte, vor dem Putztiſch verſchwenden.
Glauben Sie wohl, daß meine liebe Roſine eben ſo ungeſchickt iſt, eine metho- diſche Cammerjungfer zu ſeyn, als ich es bin, meinen Damenſtand durch die lange Verweilung am Putztiſch und durch un- ſchluͤßige ekle Wahl meiner Kleidung und
Schmucks
G 4
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Hauptmann und Oberſten gekannt hatte.
Sie nennete mich die wuͤrdige Tochter
des rechtſchaffenen Mannes, und ſagte,
ſie wolle mich oͤfters holen laſſen. Sie
glauben nun gewiß, meine Emilia, daß
ich dieſe Fuͤrſtin um ſo mehr liebe, weil
das Andenken meines Vaters von ihr ge-
ehrt wird.
Mehrere Charakter kann ich Jhnen
nicht bezeichnen. Die meiſten ſehen ein-
ander aͤhnlich, in ſo fern man ſie in dem
Vorzimmer der Fuͤrſtin, oder bey gewoͤhn-
lichen Beſuchen ſieht.
Geſtern wurde ich im Schreiben unter-
brochen, weil Aſſemblee (wie ſie es nen-
nen) bey der Prinzeſſin angeſagt wurde.
Da mußte ich die Zeit, welche mein Herz
der Freundſchaft gewidmet hatte, vor
dem Putztiſch verſchwenden.
Glauben Sie wohl, daß meine liebe
Roſine eben ſo ungeſchickt iſt, eine metho-
diſche Cammerjungfer zu ſeyn, als ich es
bin, meinen Damenſtand durch die lange
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/129>, abgerufen am 27.11.2024.
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