die Gegenstände und Farben machen es nicht; die Bewegung, die fremde Bewe- gung ists, die ich sonderbar finde.
Soll ich Jhnen sagen, wie ich hier und da aufgenommen wurde? Gut, al- lenthalben gut! denn für solche Begeben- heiten hat der Hof eine allgemeine Spra- che, die der Geistlose eben so fertig zu re- den weiß, als der Allervernünftigste. Die Prinzessin, eine Dame von beynahe funf- zig Jahren, hat einen sehr seinen Geist; in ihrem Bezeugen, und in ihren Aus- drücken herrscht ein Ton von Güte, dessen allgemeine Gefälligkeit mir die Ueber- bleibsel von einer Zeit zu seyn schienen, wo sie die Freundschaft aller Arten von Leuten für nöthig halten mochte. Denn ich sehe schlechterdings diesen Beweggrund allein für fähig an, jene Würkung in ei- nem edeln Herzen zu machen. Die nie- derträchtige Begierde, sich allen ohne Un- terschied beliebt zu machen, kann ich ihr unmöglich zuschreiben. Sie unterredete sich lange mit mir, und sagte viel Gutes von meinem geliebten Papa, den sie als
Haupt-
die Gegenſtaͤnde und Farben machen es nicht; die Bewegung, die fremde Bewe- gung iſts, die ich ſonderbar finde.
Soll ich Jhnen ſagen, wie ich hier und da aufgenommen wurde? Gut, al- lenthalben gut! denn fuͤr ſolche Begeben- heiten hat der Hof eine allgemeine Spra- che, die der Geiſtloſe eben ſo fertig zu re- den weiß, als der Allervernuͤnftigſte. Die Prinzeſſin, eine Dame von beynahe funf- zig Jahren, hat einen ſehr ſeinen Geiſt; in ihrem Bezeugen, und in ihren Aus- druͤcken herrſcht ein Ton von Guͤte, deſſen allgemeine Gefaͤlligkeit mir die Ueber- bleibſel von einer Zeit zu ſeyn ſchienen, wo ſie die Freundſchaft aller Arten von Leuten fuͤr noͤthig halten mochte. Denn ich ſehe ſchlechterdings dieſen Beweggrund allein fuͤr faͤhig an, jene Wuͤrkung in ei- nem edeln Herzen zu machen. Die nie- dertraͤchtige Begierde, ſich allen ohne Un- terſchied beliebt zu machen, kann ich ihr unmoͤglich zuſchreiben. Sie unterredete ſich lange mit mir, und ſagte viel Gutes von meinem geliebten Papa, den ſie als
Haupt-
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die Gegenſtaͤnde und Farben machen es
nicht; die Bewegung, die fremde Bewe-
gung iſts, die ich ſonderbar finde.
Soll ich Jhnen ſagen, wie ich hier
und da aufgenommen wurde? Gut, al-
lenthalben gut! denn fuͤr ſolche Begeben-
heiten hat der Hof eine allgemeine Spra-
che, die der Geiſtloſe eben ſo fertig zu re-
den weiß, als der Allervernuͤnftigſte. Die
Prinzeſſin, eine Dame von beynahe funf-
zig Jahren, hat einen ſehr ſeinen Geiſt;
in ihrem Bezeugen, und in ihren Aus-
druͤcken herrſcht ein Ton von Guͤte, deſſen
allgemeine Gefaͤlligkeit mir die Ueber-
bleibſel von einer Zeit zu ſeyn ſchienen,
wo ſie die Freundſchaft aller Arten von
Leuten fuͤr noͤthig halten mochte. Denn
ich ſehe ſchlechterdings dieſen Beweggrund
allein fuͤr faͤhig an, jene Wuͤrkung in ei-
nem edeln Herzen zu machen. Die nie-
dertraͤchtige Begierde, ſich allen ohne Un-
terſchied beliebt zu machen, kann ich ihr
unmoͤglich zuſchreiben. Sie unterredete
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von meinem geliebten Papa, den ſie als
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/128>, abgerufen am 23.11.2024.
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