Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

von Ekel für allgemeinem Lob in mir
fühle.

Diesen Nachmittag habe ich etliche Da-
men und Cavaliere gesehen, denen meine
Tante ihre Ankunft hatte wissen lassen,
indem sie die Unterlassung ihres eignen
Besuchs mit dem Vorwand einer großen
Müdigkeit von der Reise entschuldigte.
Wiewohl die wahre Ursache nichts anders
war, als daß die Hof- und Stadtkleider
noch nicht fertig sind, in welchen ich mei-
ne Erscheinung machen soll. Vielleicht
stutzen Sie über das Wort Erscheinung,
aber es wurde heute von einem witzigen
Kopf in der That sehr richtig gebraucht,
wiewohl er es nur auf mein Kleid und
meine erste Reise in die Stadt anwandte.
Sie wissen, Emilia, daß mein theurer
Papa mich immer in den Kleidern meiner
Mama sehen wollte, und daß ich sie auch
am liebsten trug. Diese sind hier alle
aus der Mode, und ich konnte nach dem
Ausspruch meiner Tante (der ich dieses
Stück von Herrschaft über meinen Ge-
schmack gerne einräume) kein anderes als

das

von Ekel fuͤr allgemeinem Lob in mir
fuͤhle.

Dieſen Nachmittag habe ich etliche Da-
men und Cavaliere geſehen, denen meine
Tante ihre Ankunft hatte wiſſen laſſen,
indem ſie die Unterlaſſung ihres eignen
Beſuchs mit dem Vorwand einer großen
Muͤdigkeit von der Reiſe entſchuldigte.
Wiewohl die wahre Urſache nichts anders
war, als daß die Hof- und Stadtkleider
noch nicht fertig ſind, in welchen ich mei-
ne Erſcheinung machen ſoll. Vielleicht
ſtutzen Sie uͤber das Wort Erſcheinung,
aber es wurde heute von einem witzigen
Kopf in der That ſehr richtig gebraucht,
wiewohl er es nur auf mein Kleid und
meine erſte Reiſe in die Stadt anwandte.
Sie wiſſen, Emilia, daß mein theurer
Papa mich immer in den Kleidern meiner
Mama ſehen wollte, und daß ich ſie auch
am liebſten trug. Dieſe ſind hier alle
aus der Mode, und ich konnte nach dem
Ausſpruch meiner Tante (der ich dieſes
Stuͤck von Herrſchaft uͤber meinen Ge-
ſchmack gerne einraͤume) kein anderes als

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0116" n="90"/>
von Ekel fu&#x0364;r allgemeinem Lob in mir<lb/>
fu&#x0364;hle.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;en Nachmittag habe ich etliche Da-<lb/>
men und Cavaliere ge&#x017F;ehen, denen meine<lb/>
Tante ihre Ankunft hatte wi&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
indem &#x017F;ie die Unterla&#x017F;&#x017F;ung ihres eignen<lb/>
Be&#x017F;uchs mit dem Vorwand einer großen<lb/>
Mu&#x0364;digkeit von der Rei&#x017F;e ent&#x017F;chuldigte.<lb/>
Wiewohl die wahre Ur&#x017F;ache nichts anders<lb/>
war, als daß die Hof- und Stadtkleider<lb/>
noch nicht fertig &#x017F;ind, in welchen ich mei-<lb/>
ne Er&#x017F;cheinung machen &#x017F;oll. Vielleicht<lb/>
&#x017F;tutzen Sie u&#x0364;ber das Wort <hi rendition="#fr">Er&#x017F;cheinung,</hi><lb/>
aber es wurde heute von einem witzigen<lb/>
Kopf in der That &#x017F;ehr richtig gebraucht,<lb/>
wiewohl er es nur auf mein Kleid und<lb/>
meine er&#x017F;te Rei&#x017F;e in die Stadt anwandte.<lb/>
Sie wi&#x017F;&#x017F;en, Emilia, daß mein theurer<lb/>
Papa mich immer in den Kleidern meiner<lb/>
Mama &#x017F;ehen wollte, und daß ich &#x017F;ie auch<lb/>
am lieb&#x017F;ten trug. Die&#x017F;e &#x017F;ind hier alle<lb/>
aus der Mode, und ich konnte nach dem<lb/>
Aus&#x017F;pruch meiner Tante (der ich die&#x017F;es<lb/>
Stu&#x0364;ck von Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber meinen Ge-<lb/>
&#x017F;chmack gerne einra&#x0364;ume) kein anderes als<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0116] von Ekel fuͤr allgemeinem Lob in mir fuͤhle. Dieſen Nachmittag habe ich etliche Da- men und Cavaliere geſehen, denen meine Tante ihre Ankunft hatte wiſſen laſſen, indem ſie die Unterlaſſung ihres eignen Beſuchs mit dem Vorwand einer großen Muͤdigkeit von der Reiſe entſchuldigte. Wiewohl die wahre Urſache nichts anders war, als daß die Hof- und Stadtkleider noch nicht fertig ſind, in welchen ich mei- ne Erſcheinung machen ſoll. Vielleicht ſtutzen Sie uͤber das Wort Erſcheinung, aber es wurde heute von einem witzigen Kopf in der That ſehr richtig gebraucht, wiewohl er es nur auf mein Kleid und meine erſte Reiſe in die Stadt anwandte. Sie wiſſen, Emilia, daß mein theurer Papa mich immer in den Kleidern meiner Mama ſehen wollte, und daß ich ſie auch am liebſten trug. Dieſe ſind hier alle aus der Mode, und ich konnte nach dem Ausſpruch meiner Tante (der ich dieſes Stuͤck von Herrſchaft uͤber meinen Ge- ſchmack gerne einraͤume) kein anderes als das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/116
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/116>, abgerufen am 22.11.2024.