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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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sprüchen. Es dünkte meinem Stolze, der
Mensch hätte mich sorgfältig bedienen,
und stillschweigend bewundern sollen.
Aber der Schneider und die Putzmacherin
waren noch unerträglicher. Fragen Sie
meine Rosine über ihr albernes Geschwätz,
und über die etwas boshafte Anmerkung,
die mir einfiel: Die Eitelkeit der Damen
in D. müßte sehr heißhungrig seyn, weil
sie diese Leute gewöhnt hätten, ihr ei-
ne so grobe und mir sehr unschmackhafte
Nahrung zu bringen. Das Lob des
Schlössers, welches der schönen Mont-
bason
so viel besser gefiel, als der Hof-
leute ihres, war von einer ganz andern
Art, weil es das Gepräge einer wahren
Empfindung hatte, die durch den Anblick
dieser schönen Frau in ihm entstund, da
er ganz mit seiner Arbeit beschäfftigt, un-
gefehr aufsah, als eben die Dame bey sei-
ner Werkstatt vorbey fuhr. Aber was
heißt der Beyfall derer, welche ihren Nu-
tzen von mir suchen? Und wie froh bin
ich, mit keiner besondern Schönheit be-
zeichnet zu seyn; weil ich diese Art

von
F 5

ſpruͤchen. Es duͤnkte meinem Stolze, der
Menſch haͤtte mich ſorgfaͤltig bedienen,
und ſtillſchweigend bewundern ſollen.
Aber der Schneider und die Putzmacherin
waren noch unertraͤglicher. Fragen Sie
meine Roſine uͤber ihr albernes Geſchwaͤtz,
und uͤber die etwas boshafte Anmerkung,
die mir einfiel: Die Eitelkeit der Damen
in D. muͤßte ſehr heißhungrig ſeyn, weil
ſie dieſe Leute gewoͤhnt haͤtten, ihr ei-
ne ſo grobe und mir ſehr unſchmackhafte
Nahrung zu bringen. Das Lob des
Schloͤſſers, welches der ſchoͤnen Mont-
baſon
ſo viel beſſer gefiel, als der Hof-
leute ihres, war von einer ganz andern
Art, weil es das Gepraͤge einer wahren
Empfindung hatte, die durch den Anblick
dieſer ſchoͤnen Frau in ihm entſtund, da
er ganz mit ſeiner Arbeit beſchaͤfftigt, un-
gefehr aufſah, als eben die Dame bey ſei-
ner Werkſtatt vorbey fuhr. Aber was
heißt der Beyfall derer, welche ihren Nu-
tzen von mir ſuchen? Und wie froh bin
ich, mit keiner beſondern Schoͤnheit be-
zeichnet zu ſeyn; weil ich dieſe Art

von
F 5
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[89/0115] ſpruͤchen. Es duͤnkte meinem Stolze, der Menſch haͤtte mich ſorgfaͤltig bedienen, und ſtillſchweigend bewundern ſollen. Aber der Schneider und die Putzmacherin waren noch unertraͤglicher. Fragen Sie meine Roſine uͤber ihr albernes Geſchwaͤtz, und uͤber die etwas boshafte Anmerkung, die mir einfiel: Die Eitelkeit der Damen in D. muͤßte ſehr heißhungrig ſeyn, weil ſie dieſe Leute gewoͤhnt haͤtten, ihr ei- ne ſo grobe und mir ſehr unſchmackhafte Nahrung zu bringen. Das Lob des Schloͤſſers, welches der ſchoͤnen Mont- baſon ſo viel beſſer gefiel, als der Hof- leute ihres, war von einer ganz andern Art, weil es das Gepraͤge einer wahren Empfindung hatte, die durch den Anblick dieſer ſchoͤnen Frau in ihm entſtund, da er ganz mit ſeiner Arbeit beſchaͤfftigt, un- gefehr aufſah, als eben die Dame bey ſei- ner Werkſtatt vorbey fuhr. Aber was heißt der Beyfall derer, welche ihren Nu- tzen von mir ſuchen? Und wie froh bin ich, mit keiner beſondern Schoͤnheit be- zeichnet zu ſeyn; weil ich dieſe Art von F 5

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/115>, abgerufen am 22.11.2024.