zu allen Universitätsstudien die volle Gleichberechtigung der Frau auf dem Bildungsgebiete. - Nicht in jeder Hinsicht waren aber die Damen von jener großen Re- form befriedigt. Einige ihrer Hauptziele waren nicht erreicht worden: die volle Herrschaft über die Mädchen- schule, auch in der Leitung derselben und das durch die Coeducation zu erreichende Eindringen der Oberlehrerin in die höhere Knabenschule. An diesem Punkte setzte im Herbst 1908 die neue Agitation ein, besonders unter der Firma des "Zentralverbandes zur Durchführung der Mädchenschulreform", der es verstand, maßgebende Per- sönlichkeiten aus Gelehrten- und Abgeordnetenkreisen sich dienstbar zu machen. Es folgten die langjährigen Kämpfe um die weibliche Leitung an den öffentlichen Mädchen- schulen und um die Gemeinschaftserziehung, die zunächst - für Preußen wenigstens - ohne wesentliche Erfolge blieben. - Die Bemühungen der Frauenbewegung in dieser Richtung haben darum aber keinen Augenblick aus- gesetzt. Man hat sogar den Versuch gemacht, diese Forderungen zum Teil in die Programme der politischen Parteien hineinzupressen, und scheint auch hier und da erfolgreich gewesen zu sein. Zunächst wußte man es durch Petitionen und Presse- arbeit dahinzubringen, daß in verschiedenen Bundes- staaten Frauen - in der Regel Lehrerinnen - zu Schulkommissionen und Schulkuratorien als stimmberechtigte Mitglieder zugelassen bezw. dafür vorgeschrieben wurden. Gegen eine solche Mitwirkung der Frau wäre an sich kaum etwas zu sagen, wenn pädagogische Gründe aus- schlaggebend wären und sie nicht aus frauenrechtlerischen
zu allen Universitätsstudien die volle Gleichberechtigung der Frau auf dem Bildungsgebiete. – Nicht in jeder Hinsicht waren aber die Damen von jener großen Re- form befriedigt. Einige ihrer Hauptziele waren nicht erreicht worden: die volle Herrschaft über die Mädchen- schule, auch in der Leitung derselben und das durch die Coeducation zu erreichende Eindringen der Oberlehrerin in die höhere Knabenschule. An diesem Punkte setzte im Herbst 1908 die neue Agitation ein, besonders unter der Firma des „Zentralverbandes zur Durchführung der Mädchenschulreform“, der es verstand, maßgebende Per- sönlichkeiten aus Gelehrten- und Abgeordnetenkreisen sich dienstbar zu machen. Es folgten die langjährigen Kämpfe um die weibliche Leitung an den öffentlichen Mädchen- schulen und um die Gemeinschaftserziehung, die zunächst – für Preußen wenigstens – ohne wesentliche Erfolge blieben. – Die Bemühungen der Frauenbewegung in dieser Richtung haben darum aber keinen Augenblick aus- gesetzt. Man hat sogar den Versuch gemacht, diese Forderungen zum Teil in die Programme der politischen Parteien hineinzupressen, und scheint auch hier und da erfolgreich gewesen zu sein. Zunächst wußte man es durch Petitionen und Presse- arbeit dahinzubringen, daß in verschiedenen Bundes- staaten Frauen – in der Regel Lehrerinnen – zu Schulkommissionen und Schulkuratorien als stimmberechtigte Mitglieder zugelassen bezw. dafür vorgeschrieben wurden. Gegen eine solche Mitwirkung der Frau wäre an sich kaum etwas zu sagen, wenn pädagogische Gründe aus- schlaggebend wären und sie nicht aus frauenrechtlerischen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0052"n="50"/>
zu allen Universitätsstudien die volle Gleichberechtigung<lb/>
der Frau auf dem Bildungsgebiete. – Nicht in jeder<lb/>
Hinsicht waren aber die Damen von jener großen Re-<lb/>
form befriedigt. Einige ihrer Hauptziele waren nicht<lb/>
erreicht worden: die volle Herrschaft über die Mädchen-<lb/>
schule, auch in der Leitung derselben und das durch die<lb/>
Coeducation zu erreichende Eindringen der Oberlehrerin<lb/>
in die höhere Knabenschule. An diesem Punkte setzte im<lb/>
Herbst 1908 die neue Agitation ein, besonders unter der<lb/>
Firma des „Zentralverbandes zur Durchführung der<lb/>
Mädchenschulreform“, der es verstand, maßgebende Per-<lb/>
sönlichkeiten aus Gelehrten- und Abgeordnetenkreisen sich<lb/>
dienstbar zu machen. Es folgten die langjährigen Kämpfe<lb/>
um die weibliche Leitung an den öffentlichen Mädchen-<lb/>
schulen und um die Gemeinschaftserziehung, die zunächst<lb/>– für Preußen wenigstens – ohne wesentliche Erfolge<lb/>
blieben. – Die Bemühungen der Frauenbewegung in<lb/>
dieser Richtung haben darum aber keinen Augenblick aus-<lb/>
gesetzt. <hirendition="#g">Man hat sogar den Versuch gemacht,<lb/>
diese Forderungen zum Teil in die Programme<lb/>
der politischen Parteien hineinzupressen</hi>, und<lb/>
scheint auch hier und da erfolgreich gewesen zu sein.<lb/>
Zunächst wußte man es durch Petitionen und Presse-<lb/>
arbeit dahinzubringen, daß in verschiedenen Bundes-<lb/>
staaten Frauen – in der Regel Lehrerinnen – zu<lb/>
Schulkommissionen und Schulkuratorien als stimmberechtigte<lb/>
Mitglieder zugelassen bezw. dafür vorgeschrieben wurden.<lb/>
Gegen eine solche Mitwirkung der Frau wäre an sich<lb/>
kaum etwas zu sagen, wenn pädagogische Gründe aus-<lb/>
schlaggebend wären und sie nicht aus frauenrechtlerischen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[50/0052]
zu allen Universitätsstudien die volle Gleichberechtigung
der Frau auf dem Bildungsgebiete. – Nicht in jeder
Hinsicht waren aber die Damen von jener großen Re-
form befriedigt. Einige ihrer Hauptziele waren nicht
erreicht worden: die volle Herrschaft über die Mädchen-
schule, auch in der Leitung derselben und das durch die
Coeducation zu erreichende Eindringen der Oberlehrerin
in die höhere Knabenschule. An diesem Punkte setzte im
Herbst 1908 die neue Agitation ein, besonders unter der
Firma des „Zentralverbandes zur Durchführung der
Mädchenschulreform“, der es verstand, maßgebende Per-
sönlichkeiten aus Gelehrten- und Abgeordnetenkreisen sich
dienstbar zu machen. Es folgten die langjährigen Kämpfe
um die weibliche Leitung an den öffentlichen Mädchen-
schulen und um die Gemeinschaftserziehung, die zunächst
– für Preußen wenigstens – ohne wesentliche Erfolge
blieben. – Die Bemühungen der Frauenbewegung in
dieser Richtung haben darum aber keinen Augenblick aus-
gesetzt. Man hat sogar den Versuch gemacht,
diese Forderungen zum Teil in die Programme
der politischen Parteien hineinzupressen, und
scheint auch hier und da erfolgreich gewesen zu sein.
Zunächst wußte man es durch Petitionen und Presse-
arbeit dahinzubringen, daß in verschiedenen Bundes-
staaten Frauen – in der Regel Lehrerinnen – zu
Schulkommissionen und Schulkuratorien als stimmberechtigte
Mitglieder zugelassen bezw. dafür vorgeschrieben wurden.
Gegen eine solche Mitwirkung der Frau wäre an sich
kaum etwas zu sagen, wenn pädagogische Gründe aus-
schlaggebend wären und sie nicht aus frauenrechtlerischen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-04-13T13:51:38Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-04-13T13:51:38Z)
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: dokumentiert;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/52>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.