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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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verschleiert und ist Schritt für Schritt, fast unsichtbar wie
die Feldgrauen, vorgerückt. Als im Beginn dieser Ent-
wicklung, im Jahre 1883, über das Krankenkassengesetz
verhandelt wurde, hatte die Regierung für die Beteiligung
der Frauen das volle aktive und passive Wahlrecht vor-
geschlagen. Es entspann sich damals ein lebhafter Kampf,
denn man erkannte, daß es sich hier um den ersten Schritt
zur Emanzipation des weiblichen Geschlechts im öffentlichen
Leben handelte. - Die damaligen Bedenken der Minori-
tät, daß dieser Präzedenzfall die weittragendsten Konse-
quenzen haben werde, haben sich denn auch im vollsten
Maße verwirklicht, und auf dem Gebiete der Berufs-
interessen bleibt der Frauenbewegung heute nur wenig
an Wahlrechten zu wünschen übrig. - Entsprechend der
seit Jahren bewährten Strategie geht sie nach Eroberung
des ersten Bollwerks nun an die Berennung des zweiten
größeren, des Gemeindewahlrechts. Die sozialen Wahlen
haben die Massen der Frauen für den Kampf um die
politische Gleichberechtigung mobil gemacht, und so sagt
denn Fräulein Lange mit Recht: "Mehr und mehr ent-
steht uns durch die wachsende Stärke der organisierten
Massen eine Art mechanischer Wucht, die von selbst der
Entwicklung der aufgestellten Ziele entgegendrängt."

Diese organisierten Massen, die selbst durch ihre
Führerinnen diese ominöse Entwicklung gewaltsam, und
doch geschickt und unauffällig, herbeigeführt haben, werden
jetzt zum allgemeinen Sturm auf das Gemeindewahlrecht
vorgeschickt. Die vorbereitende Kanonade - um im
Kriegsbilde zu bleiben - waren die siegreichen Kämpfe
um die Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten und um die

verschleiert und ist Schritt für Schritt, fast unsichtbar wie
die Feldgrauen, vorgerückt. Als im Beginn dieser Ent-
wicklung, im Jahre 1883, über das Krankenkassengesetz
verhandelt wurde, hatte die Regierung für die Beteiligung
der Frauen das volle aktive und passive Wahlrecht vor-
geschlagen. Es entspann sich damals ein lebhafter Kampf,
denn man erkannte, daß es sich hier um den ersten Schritt
zur Emanzipation des weiblichen Geschlechts im öffentlichen
Leben handelte. – Die damaligen Bedenken der Minori-
tät, daß dieser Präzedenzfall die weittragendsten Konse-
quenzen haben werde, haben sich denn auch im vollsten
Maße verwirklicht, und auf dem Gebiete der Berufs-
interessen bleibt der Frauenbewegung heute nur wenig
an Wahlrechten zu wünschen übrig. – Entsprechend der
seit Jahren bewährten Strategie geht sie nach Eroberung
des ersten Bollwerks nun an die Berennung des zweiten
größeren, des Gemeindewahlrechts. Die sozialen Wahlen
haben die Massen der Frauen für den Kampf um die
politische Gleichberechtigung mobil gemacht, und so sagt
denn Fräulein Lange mit Recht: „Mehr und mehr ent-
steht uns durch die wachsende Stärke der organisierten
Massen eine Art mechanischer Wucht, die von selbst der
Entwicklung der aufgestellten Ziele entgegendrängt.“

Diese organisierten Massen, die selbst durch ihre
Führerinnen diese ominöse Entwicklung gewaltsam, und
doch geschickt und unauffällig, herbeigeführt haben, werden
jetzt zum allgemeinen Sturm auf das Gemeindewahlrecht
vorgeschickt. Die vorbereitende Kanonade – um im
Kriegsbilde zu bleiben – waren die siegreichen Kämpfe
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[40/0042] verschleiert und ist Schritt für Schritt, fast unsichtbar wie die Feldgrauen, vorgerückt. Als im Beginn dieser Ent- wicklung, im Jahre 1883, über das Krankenkassengesetz verhandelt wurde, hatte die Regierung für die Beteiligung der Frauen das volle aktive und passive Wahlrecht vor- geschlagen. Es entspann sich damals ein lebhafter Kampf, denn man erkannte, daß es sich hier um den ersten Schritt zur Emanzipation des weiblichen Geschlechts im öffentlichen Leben handelte. – Die damaligen Bedenken der Minori- tät, daß dieser Präzedenzfall die weittragendsten Konse- quenzen haben werde, haben sich denn auch im vollsten Maße verwirklicht, und auf dem Gebiete der Berufs- interessen bleibt der Frauenbewegung heute nur wenig an Wahlrechten zu wünschen übrig. – Entsprechend der seit Jahren bewährten Strategie geht sie nach Eroberung des ersten Bollwerks nun an die Berennung des zweiten größeren, des Gemeindewahlrechts. Die sozialen Wahlen haben die Massen der Frauen für den Kampf um die politische Gleichberechtigung mobil gemacht, und so sagt denn Fräulein Lange mit Recht: „Mehr und mehr ent- steht uns durch die wachsende Stärke der organisierten Massen eine Art mechanischer Wucht, die von selbst der Entwicklung der aufgestellten Ziele entgegendrängt.“ Diese organisierten Massen, die selbst durch ihre Führerinnen diese ominöse Entwicklung gewaltsam, und doch geschickt und unauffällig, herbeigeführt haben, werden jetzt zum allgemeinen Sturm auf das Gemeindewahlrecht vorgeschickt. Die vorbereitende Kanonade – um im Kriegsbilde zu bleiben – waren die siegreichen Kämpfe um die Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten und um die

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/42>, abgerufen am 24.11.2024.