Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

gefühl dem jungen Dienstmädchen gegenüber - Mängel
denen durch eine tüchtige Vorbildung auf Frauenschulen ab-
geholfen werden könnte. Wenn durch ein größeres soziales
und erzieherisches Verständnis der Hausfrauen die Dienst-
botenfrage zwar nicht aus der Welt geschafft werden wird -
dazu liegt das Problem zu tief - so könnten dadurch
doch viele Mißstände gemildert werden. Die Umwandlung
des Dienstmädchenberufes in den einer Stundenarbeiterin,
gemäß der Fabrikarbeiterin, wie die Frauenbewegung es
fordert, würde zur Folge haben, daß auch die Dienstboten
ganz aus dem Familienverbande ausscheiden, was bei einem
großen Prozentsatz bisher noch nicht der Fall war, und
wieder wären Hunderttausende von Frauen aus der Familie
losgelöst! Trotz der Neigung unserer Mädchen, lieber in
Geschäfte und Fabriken als in einen Dienst zu gehen, haben
wir im deutschen Reich über eine Million Dienstmädchen,
und es wäre an der Zeit, diesen Beruf, den also, ab-
gesehen von Landwirtschaft und Jndustrie, die meisten
Mädchen ergreifen, einer durchgreifenden Regelung zu
unterwerfen. Für uns Hausfrauen ist das eine brennende
Frage, brennender als das Frauenstimmrecht. Jst es doch
soweit gekommen, daß wir mit Schrecken daran denken
müssen, einmal krank und leistungsunfähig zu sein! Eine
unverheiratete Frau, die einspringen könnte, gibt es in
der Familie nicht mehr, das Dienstmädchen, das wir seit
einigen Wochen haben, kündigt in dem Augenblick, wo
doppelte Anforderungen an sie gestellt werden. Sie ist
ohne innere Beziehung zu ihrer Arbeit geblieben und
denkt immer zuerst an das Wohl und Wehe ihrer eigenen
Person.

gefühl dem jungen Dienstmädchen gegenüber – Mängel
denen durch eine tüchtige Vorbildung auf Frauenschulen ab-
geholfen werden könnte. Wenn durch ein größeres soziales
und erzieherisches Verständnis der Hausfrauen die Dienst-
botenfrage zwar nicht aus der Welt geschafft werden wird –
dazu liegt das Problem zu tief – so könnten dadurch
doch viele Mißstände gemildert werden. Die Umwandlung
des Dienstmädchenberufes in den einer Stundenarbeiterin,
gemäß der Fabrikarbeiterin, wie die Frauenbewegung es
fordert, würde zur Folge haben, daß auch die Dienstboten
ganz aus dem Familienverbande ausscheiden, was bei einem
großen Prozentsatz bisher noch nicht der Fall war, und
wieder wären Hunderttausende von Frauen aus der Familie
losgelöst! Trotz der Neigung unserer Mädchen, lieber in
Geschäfte und Fabriken als in einen Dienst zu gehen, haben
wir im deutschen Reich über eine Million Dienstmädchen,
und es wäre an der Zeit, diesen Beruf, den also, ab-
gesehen von Landwirtschaft und Jndustrie, die meisten
Mädchen ergreifen, einer durchgreifenden Regelung zu
unterwerfen. Für uns Hausfrauen ist das eine brennende
Frage, brennender als das Frauenstimmrecht. Jst es doch
soweit gekommen, daß wir mit Schrecken daran denken
müssen, einmal krank und leistungsunfähig zu sein! Eine
unverheiratete Frau, die einspringen könnte, gibt es in
der Familie nicht mehr, das Dienstmädchen, das wir seit
einigen Wochen haben, kündigt in dem Augenblick, wo
doppelte Anforderungen an sie gestellt werden. Sie ist
ohne innere Beziehung zu ihrer Arbeit geblieben und
denkt immer zuerst an das Wohl und Wehe ihrer eigenen
Person.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0140" n="138"/>
gefühl dem jungen Dienstmädchen gegenüber &#x2013; Mängel<lb/>
denen durch eine tüchtige Vorbildung auf Frauenschulen ab-<lb/>
geholfen werden könnte. Wenn durch ein größeres soziales<lb/>
und erzieherisches Verständnis der Hausfrauen die Dienst-<lb/>
botenfrage zwar nicht aus der Welt geschafft werden wird &#x2013;<lb/>
dazu liegt das Problem zu tief &#x2013; so könnten dadurch<lb/>
doch viele Mißstände gemildert werden. Die Umwandlung<lb/>
des Dienstmädchenberufes in den einer Stundenarbeiterin,<lb/>
gemäß der Fabrikarbeiterin, wie die Frauenbewegung es<lb/>
fordert, würde zur Folge haben, daß auch die Dienstboten<lb/>
ganz aus dem Familienverbande ausscheiden, was bei einem<lb/>
großen Prozentsatz bisher noch nicht der Fall war, und<lb/>
wieder wären Hunderttausende von Frauen aus der Familie<lb/>
losgelöst! Trotz der Neigung unserer Mädchen, lieber in<lb/>
Geschäfte und Fabriken als in einen Dienst zu gehen, haben<lb/>
wir im deutschen Reich über eine Million Dienstmädchen,<lb/>
und es wäre an der Zeit, diesen Beruf, den also, ab-<lb/>
gesehen von Landwirtschaft und Jndustrie, die meisten<lb/>
Mädchen ergreifen, einer durchgreifenden Regelung zu<lb/>
unterwerfen. Für uns Hausfrauen ist das eine brennende<lb/>
Frage, brennender als das Frauenstimmrecht. Jst es doch<lb/>
soweit gekommen, daß wir mit Schrecken daran denken<lb/>
müssen, einmal krank und leistungsunfähig zu sein! Eine<lb/>
unverheiratete Frau, die einspringen könnte, gibt es in<lb/>
der Familie nicht mehr, das Dienstmädchen, das wir seit<lb/>
einigen Wochen haben, kündigt in dem Augenblick, wo<lb/>
doppelte Anforderungen an sie gestellt werden. Sie ist<lb/>
ohne innere Beziehung zu ihrer Arbeit geblieben und<lb/>
denkt immer zuerst an das Wohl und Wehe ihrer eigenen<lb/>
Person.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0140] gefühl dem jungen Dienstmädchen gegenüber – Mängel denen durch eine tüchtige Vorbildung auf Frauenschulen ab- geholfen werden könnte. Wenn durch ein größeres soziales und erzieherisches Verständnis der Hausfrauen die Dienst- botenfrage zwar nicht aus der Welt geschafft werden wird – dazu liegt das Problem zu tief – so könnten dadurch doch viele Mißstände gemildert werden. Die Umwandlung des Dienstmädchenberufes in den einer Stundenarbeiterin, gemäß der Fabrikarbeiterin, wie die Frauenbewegung es fordert, würde zur Folge haben, daß auch die Dienstboten ganz aus dem Familienverbande ausscheiden, was bei einem großen Prozentsatz bisher noch nicht der Fall war, und wieder wären Hunderttausende von Frauen aus der Familie losgelöst! Trotz der Neigung unserer Mädchen, lieber in Geschäfte und Fabriken als in einen Dienst zu gehen, haben wir im deutschen Reich über eine Million Dienstmädchen, und es wäre an der Zeit, diesen Beruf, den also, ab- gesehen von Landwirtschaft und Jndustrie, die meisten Mädchen ergreifen, einer durchgreifenden Regelung zu unterwerfen. Für uns Hausfrauen ist das eine brennende Frage, brennender als das Frauenstimmrecht. Jst es doch soweit gekommen, daß wir mit Schrecken daran denken müssen, einmal krank und leistungsunfähig zu sein! Eine unverheiratete Frau, die einspringen könnte, gibt es in der Familie nicht mehr, das Dienstmädchen, das wir seit einigen Wochen haben, kündigt in dem Augenblick, wo doppelte Anforderungen an sie gestellt werden. Sie ist ohne innere Beziehung zu ihrer Arbeit geblieben und denkt immer zuerst an das Wohl und Wehe ihrer eigenen Person.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/140
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/140>, abgerufen am 27.11.2024.