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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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den ersten Lebensjahren die Unterschiede sich bemerkbar
machen, wie schnell sich der Jntellekt beim Knaben ent-
wickelt, wie rasch sein Verständnis, sogar für abstrakte
Dinge, wächst, während das Jnteresse des Mädchens für
solche Stoffe, bei einer großen Gelehrigkeit für praktische
Dinge und einer leichteren Anpassungsfähigkeit an fremde
Verhältnisse, noch schlummert. Später verschiebt sich die
Schnelligkeit in der geistigen Entwickelung eine Zeitlang
zugunsten des Mädchens, aber die Unterschiede über-
haupt werden mit der sich nähernden Geschlechtsreife
immer größer. Wie schwer ist es schon für einen Lehrer,
seinen 30 oder 40 Schülern ganz gerecht zu werden, nun
soll er plötzlich Knaben und Mädchen nebeneinander
haben und individuell behandeln! Je höher die Schul-
gattung ist, desto schwieriger würden die Verhältnisse
werden; was zur Not noch in einer einklassigen Dorf-
schule oder in der untersten Klasse der Volksschule möglich
ist, das ist bei höheren Schulen undenkbar, ohne daß
ein Teil dabei Schaden leidet.*) Die Unterschiede der
geistigen Anlagen, selbst bei begabten Menschen ver-
schiedenen Geschlechtes, bestätigen die Urteile von Hoch-
schullehrern, die in der überwiegenden Mehrzahl angeben,
daß sie bei den Studentinnen viel Fleiß, schnelles Auf-
fassungsvermögen, aber weniger Produktivkraft als bei
ihren männlichen Schülern gefunden haben. "Jn den
Wissenschaften fällt die Sammler- und Kärrnerfähigkeit
der Frauen auf. Jm Rahmen der bisher vorliegenden

*) Sobald die Schule wächst und die Mittel es er-
lauben, trennen auch die Volksschulen in kleinen Gemeinden die
Geschlechter, was bei uns immer noch als Kulturfortschritt an-
gesehen wird.

den ersten Lebensjahren die Unterschiede sich bemerkbar
machen, wie schnell sich der Jntellekt beim Knaben ent-
wickelt, wie rasch sein Verständnis, sogar für abstrakte
Dinge, wächst, während das Jnteresse des Mädchens für
solche Stoffe, bei einer großen Gelehrigkeit für praktische
Dinge und einer leichteren Anpassungsfähigkeit an fremde
Verhältnisse, noch schlummert. Später verschiebt sich die
Schnelligkeit in der geistigen Entwickelung eine Zeitlang
zugunsten des Mädchens, aber die Unterschiede über-
haupt werden mit der sich nähernden Geschlechtsreife
immer größer. Wie schwer ist es schon für einen Lehrer,
seinen 30 oder 40 Schülern ganz gerecht zu werden, nun
soll er plötzlich Knaben und Mädchen nebeneinander
haben und individuell behandeln! Je höher die Schul-
gattung ist, desto schwieriger würden die Verhältnisse
werden; was zur Not noch in einer einklassigen Dorf-
schule oder in der untersten Klasse der Volksschule möglich
ist, das ist bei höheren Schulen undenkbar, ohne daß
ein Teil dabei Schaden leidet.*) Die Unterschiede der
geistigen Anlagen, selbst bei begabten Menschen ver-
schiedenen Geschlechtes, bestätigen die Urteile von Hoch-
schullehrern, die in der überwiegenden Mehrzahl angeben,
daß sie bei den Studentinnen viel Fleiß, schnelles Auf-
fassungsvermögen, aber weniger Produktivkraft als bei
ihren männlichen Schülern gefunden haben. „Jn den
Wissenschaften fällt die Sammler- und Kärrnerfähigkeit
der Frauen auf. Jm Rahmen der bisher vorliegenden

*) Sobald die Schule wächst und die Mittel es er-
lauben, trennen auch die Volksschulen in kleinen Gemeinden die
Geschlechter, was bei uns immer noch als Kulturfortschritt an-
gesehen wird.
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[120/0122] den ersten Lebensjahren die Unterschiede sich bemerkbar machen, wie schnell sich der Jntellekt beim Knaben ent- wickelt, wie rasch sein Verständnis, sogar für abstrakte Dinge, wächst, während das Jnteresse des Mädchens für solche Stoffe, bei einer großen Gelehrigkeit für praktische Dinge und einer leichteren Anpassungsfähigkeit an fremde Verhältnisse, noch schlummert. Später verschiebt sich die Schnelligkeit in der geistigen Entwickelung eine Zeitlang zugunsten des Mädchens, aber die Unterschiede über- haupt werden mit der sich nähernden Geschlechtsreife immer größer. Wie schwer ist es schon für einen Lehrer, seinen 30 oder 40 Schülern ganz gerecht zu werden, nun soll er plötzlich Knaben und Mädchen nebeneinander haben und individuell behandeln! Je höher die Schul- gattung ist, desto schwieriger würden die Verhältnisse werden; was zur Not noch in einer einklassigen Dorf- schule oder in der untersten Klasse der Volksschule möglich ist, das ist bei höheren Schulen undenkbar, ohne daß ein Teil dabei Schaden leidet. *) Die Unterschiede der geistigen Anlagen, selbst bei begabten Menschen ver- schiedenen Geschlechtes, bestätigen die Urteile von Hoch- schullehrern, die in der überwiegenden Mehrzahl angeben, daß sie bei den Studentinnen viel Fleiß, schnelles Auf- fassungsvermögen, aber weniger Produktivkraft als bei ihren männlichen Schülern gefunden haben. „Jn den Wissenschaften fällt die Sammler- und Kärrnerfähigkeit der Frauen auf. Jm Rahmen der bisher vorliegenden *) Sobald die Schule wächst und die Mittel es er- lauben, trennen auch die Volksschulen in kleinen Gemeinden die Geschlechter, was bei uns immer noch als Kulturfortschritt an- gesehen wird.

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/122>, abgerufen am 23.11.2024.