Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

uns Frauen fruchtbarer gewesen, wenn neben den erfahrenen
Schulmännern in den beratenden Kommissionen nicht nur
unverheiratete Lehrerinnen gesessen hätten, sondern ge-
bildete Mütter, denen neben dem Wohl ihrer eigenen
Töchter auch das Wohl der weiblichen Jugend und das
Allgemeinwohl am Herzen liegt. Jmmer deutlicher trat
schon in den letzten Jahrzehnten vor der Mädchenschulreform
der Wunsch der Frauenrechtlerinnen zu Tage, die weibliche
Bildung der männlichen gleich zu gestalten, und man hat
es ja auch erreicht, daß das Lyzeum wenigstens in der
Theorie der Realschule, die Studienanstalt dem Gymnasium
bezw. Realgymnasium gleicht. Das wollten früher die Recht-
garnicht. Vor 20 Jahren vertrat Helene Lange,
lerinnen die Vorkämpferin der höheren Mädchenbildung, den Stand-
punkt, daß es ein Verbrechen gegen die Mädchen wäre,
die Forderungen des Knabengymnasiums einfach auf die
Mädchenbildung zu übertragen. Wie oft wurde damals
in Vorträgen das Knabengymnasium als ein verstaubtes,
altersschwaches Gebilde lächerlich gemacht. Dann sah man
ein, daß der Weg zur völligen Gleichberechtigung mit den
Männern in Beruf und Staatsbürgertum durch Gymnasium
und Universität geht. Da mußten alle erzieherischen und
gesundheitlichen Bedenken schweigen! Ehrgeiz und Machtgier
einiger Führerinnen wogen schwerer als Glück und Gesundheit
vieler blühender Mädchen, die ihre besten Kräfte an ein
falsches Ziel setzten. Der Besuch der Studienanstalten ist
Mode geworden, was einigen hervorragend begabten Mädchen
hätte vorbehalten werden müssen, wird Streben des
Durchschnitts, schon gibt es viele Mädchen, die das Ziel
der Studienanstalten nicht erreichen, die abgehen, nachdem

uns Frauen fruchtbarer gewesen, wenn neben den erfahrenen
Schulmännern in den beratenden Kommissionen nicht nur
unverheiratete Lehrerinnen gesessen hätten, sondern ge-
bildete Mütter, denen neben dem Wohl ihrer eigenen
Töchter auch das Wohl der weiblichen Jugend und das
Allgemeinwohl am Herzen liegt. Jmmer deutlicher trat
schon in den letzten Jahrzehnten vor der Mädchenschulreform
der Wunsch der Frauenrechtlerinnen zu Tage, die weibliche
Bildung der männlichen gleich zu gestalten, und man hat
es ja auch erreicht, daß das Lyzeum wenigstens in der
Theorie der Realschule, die Studienanstalt dem Gymnasium
bezw. Realgymnasium gleicht. Das wollten früher die Recht-
garnicht. Vor 20 Jahren vertrat Helene Lange,
lerinnen die Vorkämpferin der höheren Mädchenbildung, den Stand-
punkt, daß es ein Verbrechen gegen die Mädchen wäre,
die Forderungen des Knabengymnasiums einfach auf die
Mädchenbildung zu übertragen. Wie oft wurde damals
in Vorträgen das Knabengymnasium als ein verstaubtes,
altersschwaches Gebilde lächerlich gemacht. Dann sah man
ein, daß der Weg zur völligen Gleichberechtigung mit den
Männern in Beruf und Staatsbürgertum durch Gymnasium
und Universität geht. Da mußten alle erzieherischen und
gesundheitlichen Bedenken schweigen! Ehrgeiz und Machtgier
einiger Führerinnen wogen schwerer als Glück und Gesundheit
vieler blühender Mädchen, die ihre besten Kräfte an ein
falsches Ziel setzten. Der Besuch der Studienanstalten ist
Mode geworden, was einigen hervorragend begabten Mädchen
hätte vorbehalten werden müssen, wird Streben des
Durchschnitts, schon gibt es viele Mädchen, die das Ziel
der Studienanstalten nicht erreichen, die abgehen, nachdem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="109"/>
uns Frauen fruchtbarer gewesen, wenn neben den erfahrenen<lb/>
Schulmännern in den beratenden Kommissionen nicht nur<lb/>
unverheiratete Lehrerinnen gesessen hätten, sondern ge-<lb/>
bildete Mütter, denen neben dem Wohl ihrer eigenen<lb/>
Töchter auch das Wohl der weiblichen Jugend und das<lb/>
Allgemeinwohl am Herzen liegt. Jmmer deutlicher trat<lb/>
schon in den letzten Jahrzehnten vor der Mädchenschulreform<lb/>
der Wunsch der Frauenrechtlerinnen zu Tage, die weibliche<lb/>
Bildung der männlichen gleich zu gestalten, und man hat<lb/>
es ja auch erreicht, daß das Lyzeum wenigstens in der<lb/>
Theorie der Realschule, die Studienanstalt dem Gymnasium<lb/>
bezw. Realgymnasium gleicht. Das wollten früher die Recht-<lb/>
garnicht. Vor 20 Jahren vertrat Helene Lange,<lb/>
lerinnen die Vorkämpferin der höheren Mädchenbildung, den Stand-<lb/>
punkt, daß es ein Verbrechen gegen die Mädchen wäre,<lb/>
die Forderungen des Knabengymnasiums einfach auf die<lb/>
Mädchenbildung zu übertragen. Wie oft wurde damals<lb/>
in Vorträgen das Knabengymnasium als ein verstaubtes,<lb/>
altersschwaches Gebilde lächerlich gemacht. Dann sah man<lb/>
ein, daß der Weg zur völligen Gleichberechtigung mit den<lb/>
Männern in Beruf und Staatsbürgertum durch Gymnasium<lb/>
und Universität geht. Da mußten alle erzieherischen und<lb/>
gesundheitlichen Bedenken schweigen! Ehrgeiz und Machtgier<lb/>
einiger Führerinnen wogen schwerer als Glück und Gesundheit<lb/>
vieler blühender Mädchen, die ihre besten Kräfte an ein<lb/>
falsches Ziel setzten. Der Besuch der Studienanstalten ist<lb/>
Mode geworden, was einigen hervorragend begabten Mädchen<lb/>
hätte vorbehalten werden müssen, wird Streben des<lb/>
Durchschnitts, schon gibt es viele Mädchen, die das Ziel<lb/>
der Studienanstalten nicht erreichen, die abgehen, nachdem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0111] uns Frauen fruchtbarer gewesen, wenn neben den erfahrenen Schulmännern in den beratenden Kommissionen nicht nur unverheiratete Lehrerinnen gesessen hätten, sondern ge- bildete Mütter, denen neben dem Wohl ihrer eigenen Töchter auch das Wohl der weiblichen Jugend und das Allgemeinwohl am Herzen liegt. Jmmer deutlicher trat schon in den letzten Jahrzehnten vor der Mädchenschulreform der Wunsch der Frauenrechtlerinnen zu Tage, die weibliche Bildung der männlichen gleich zu gestalten, und man hat es ja auch erreicht, daß das Lyzeum wenigstens in der Theorie der Realschule, die Studienanstalt dem Gymnasium bezw. Realgymnasium gleicht. Das wollten früher die Recht- garnicht. Vor 20 Jahren vertrat Helene Lange, lerinnen die Vorkämpferin der höheren Mädchenbildung, den Stand- punkt, daß es ein Verbrechen gegen die Mädchen wäre, die Forderungen des Knabengymnasiums einfach auf die Mädchenbildung zu übertragen. Wie oft wurde damals in Vorträgen das Knabengymnasium als ein verstaubtes, altersschwaches Gebilde lächerlich gemacht. Dann sah man ein, daß der Weg zur völligen Gleichberechtigung mit den Männern in Beruf und Staatsbürgertum durch Gymnasium und Universität geht. Da mußten alle erzieherischen und gesundheitlichen Bedenken schweigen! Ehrgeiz und Machtgier einiger Führerinnen wogen schwerer als Glück und Gesundheit vieler blühender Mädchen, die ihre besten Kräfte an ein falsches Ziel setzten. Der Besuch der Studienanstalten ist Mode geworden, was einigen hervorragend begabten Mädchen hätte vorbehalten werden müssen, wird Streben des Durchschnitts, schon gibt es viele Mädchen, die das Ziel der Studienanstalten nicht erreichen, die abgehen, nachdem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/111
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/111>, abgerufen am 23.11.2024.