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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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Leute genug gibt, die eine prinzipielle Bekämpfung der radikalen
Frauenbewegung nicht wünschen, sondern sogar bereit sind, durch
Annahme des kirchlichen und kommunalen Wahlrechts sich auf die
schiefe Ebene zu begeben, die unrettbar in den Abgrund führt.

Jch gehe nun mit einem kurzen Wort auf die weibliche Taktik
und den Entwicklungsgang der Stimmrechtsforderung ein. Wie
planmäßig und konzentriert die Frauenbewegung zu Werke geht,
kann man bei den neuerlichen Petitionsstürmen um das Wahlrecht
studieren. Jn den verschiedensten deutschen Landesteilen wurde
gleichzeitig das kommunale und kirchliche Wahlrecht in Angriff
genommen. Der Versuch im fortschrittlichen Lande Oldenburg,
das kommunale Wahlrecht zu erobern, scheiterte nur am Ein-
spruche der Regierung. Darnach kamen Preußen und Sachsen an
die Reihe; zunächst ohne Erfolg. Jn den Provinzialsynoden ver-
suchte man gleichzeitig, das kirchliche Stimmrecht zu gewinnen,
eine Pionier- und Minierarbeit, bei der leider von den liberalen
Geistlichen und der kirchlich-liberalen Presse kräftige Mithilfe ge-
leistet wird. Die Resultate sind ungleich; die schleswig-holstei-
nische Synode hat glücklicherweise die Forderung glatt abgelehnt,
in andern Bezirken dagegen sind die Aussichten bessere. Jmmer-
hin bereiten die Damen mit echt weiblicher Willenszähigkeit nach
jedem Fehlschlage die neue Petition vor, um die Männer schließ-
lich zu ermüden und ihren Willen durchzusetzen. Jnteressant ist
die Harmlosigkeit, mit der die konfessionellen Verbände, der evan-
gelische und der katholische Frauenbund, die politische Natur des
kommunalen Wahlrechts einfach wegleugnen und dieses Recht ge-
wissermaßen als eine notwendige Erweiterung des kirchlichen
Stimmrechts hinstellen, das den Frauen bei ihrer sozialen und
charitativen Tätigkeit als Waisen- und Armenpflegerinnen un-
umgänglich nötig sei. - Nimmt man hinzu, daß die Führerinnen
der konfessionellen Verbände das politische Wahlrecht nicht prin-
zipiell zurückweisen, sondern es aus taktischen Gründen vorläufig
ablehnen, dafür einzutreten, so erkennt man, daß die Differenz
zwischen ihnen und den radikaleren Gruppen im wesentlichen eben
in der Taktik liegt, und daß die Taktik der sogenannten "Ge-
mäßigten" entschieden die illoyalere und gefährlichere ist.

Daß es den Führerinnen der Frauenverbände ursprünglich
gemäßigter Richtung nicht leicht wird, ihre Heerscharen, die sie
einst unter dem Banner friedlicher, charitativer, unpolitischer
Frauenarbeit sammelten, jetzt bei der neuen Fahne mit der Jn-
schrift "Frauenstimmrecht" festzuhalten, das ist aus den ver-
schiedensten Anzeichen zu schließen. Eine hannöversche Dame,
Gattin eines Geistlichen, erzählte dem Verfasser kürzlich, daß sie

Leute genug gibt, die eine prinzipielle Bekämpfung der radikalen
Frauenbewegung nicht wünschen, sondern sogar bereit sind, durch
Annahme des kirchlichen und kommunalen Wahlrechts sich auf die
schiefe Ebene zu begeben, die unrettbar in den Abgrund führt.

Jch gehe nun mit einem kurzen Wort auf die weibliche Taktik
und den Entwicklungsgang der Stimmrechtsforderung ein. Wie
planmäßig und konzentriert die Frauenbewegung zu Werke geht,
kann man bei den neuerlichen Petitionsstürmen um das Wahlrecht
studieren. Jn den verschiedensten deutschen Landesteilen wurde
gleichzeitig das kommunale und kirchliche Wahlrecht in Angriff
genommen. Der Versuch im fortschrittlichen Lande Oldenburg,
das kommunale Wahlrecht zu erobern, scheiterte nur am Ein-
spruche der Regierung. Darnach kamen Preußen und Sachsen an
die Reihe; zunächst ohne Erfolg. Jn den Provinzialsynoden ver-
suchte man gleichzeitig, das kirchliche Stimmrecht zu gewinnen,
eine Pionier- und Minierarbeit, bei der leider von den liberalen
Geistlichen und der kirchlich-liberalen Presse kräftige Mithilfe ge-
leistet wird. Die Resultate sind ungleich; die schleswig-holstei-
nische Synode hat glücklicherweise die Forderung glatt abgelehnt,
in andern Bezirken dagegen sind die Aussichten bessere. Jmmer-
hin bereiten die Damen mit echt weiblicher Willenszähigkeit nach
jedem Fehlschlage die neue Petition vor, um die Männer schließ-
lich zu ermüden und ihren Willen durchzusetzen. Jnteressant ist
die Harmlosigkeit, mit der die konfessionellen Verbände, der evan-
gelische und der katholische Frauenbund, die politische Natur des
kommunalen Wahlrechts einfach wegleugnen und dieses Recht ge-
wissermaßen als eine notwendige Erweiterung des kirchlichen
Stimmrechts hinstellen, das den Frauen bei ihrer sozialen und
charitativen Tätigkeit als Waisen- und Armenpflegerinnen un-
umgänglich nötig sei. – Nimmt man hinzu, daß die Führerinnen
der konfessionellen Verbände das politische Wahlrecht nicht prin-
zipiell zurückweisen, sondern es aus taktischen Gründen vorläufig
ablehnen, dafür einzutreten, so erkennt man, daß die Differenz
zwischen ihnen und den radikaleren Gruppen im wesentlichen eben
in der Taktik liegt, und daß die Taktik der sogenannten „Ge-
mäßigten“ entschieden die illoyalere und gefährlichere ist.

Daß es den Führerinnen der Frauenverbände ursprünglich
gemäßigter Richtung nicht leicht wird, ihre Heerscharen, die sie
einst unter dem Banner friedlicher, charitativer, unpolitischer
Frauenarbeit sammelten, jetzt bei der neuen Fahne mit der Jn-
schrift „Frauenstimmrecht“ festzuhalten, das ist aus den ver-
schiedensten Anzeichen zu schließen. Eine hannöversche Dame,
Gattin eines Geistlichen, erzählte dem Verfasser kürzlich, daß sie

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[10/0010] Leute genug gibt, die eine prinzipielle Bekämpfung der radikalen Frauenbewegung nicht wünschen, sondern sogar bereit sind, durch Annahme des kirchlichen und kommunalen Wahlrechts sich auf die schiefe Ebene zu begeben, die unrettbar in den Abgrund führt. Jch gehe nun mit einem kurzen Wort auf die weibliche Taktik und den Entwicklungsgang der Stimmrechtsforderung ein. Wie planmäßig und konzentriert die Frauenbewegung zu Werke geht, kann man bei den neuerlichen Petitionsstürmen um das Wahlrecht studieren. Jn den verschiedensten deutschen Landesteilen wurde gleichzeitig das kommunale und kirchliche Wahlrecht in Angriff genommen. Der Versuch im fortschrittlichen Lande Oldenburg, das kommunale Wahlrecht zu erobern, scheiterte nur am Ein- spruche der Regierung. Darnach kamen Preußen und Sachsen an die Reihe; zunächst ohne Erfolg. Jn den Provinzialsynoden ver- suchte man gleichzeitig, das kirchliche Stimmrecht zu gewinnen, eine Pionier- und Minierarbeit, bei der leider von den liberalen Geistlichen und der kirchlich-liberalen Presse kräftige Mithilfe ge- leistet wird. Die Resultate sind ungleich; die schleswig-holstei- nische Synode hat glücklicherweise die Forderung glatt abgelehnt, in andern Bezirken dagegen sind die Aussichten bessere. Jmmer- hin bereiten die Damen mit echt weiblicher Willenszähigkeit nach jedem Fehlschlage die neue Petition vor, um die Männer schließ- lich zu ermüden und ihren Willen durchzusetzen. Jnteressant ist die Harmlosigkeit, mit der die konfessionellen Verbände, der evan- gelische und der katholische Frauenbund, die politische Natur des kommunalen Wahlrechts einfach wegleugnen und dieses Recht ge- wissermaßen als eine notwendige Erweiterung des kirchlichen Stimmrechts hinstellen, das den Frauen bei ihrer sozialen und charitativen Tätigkeit als Waisen- und Armenpflegerinnen un- umgänglich nötig sei. – Nimmt man hinzu, daß die Führerinnen der konfessionellen Verbände das politische Wahlrecht nicht prin- zipiell zurückweisen, sondern es aus taktischen Gründen vorläufig ablehnen, dafür einzutreten, so erkennt man, daß die Differenz zwischen ihnen und den radikaleren Gruppen im wesentlichen eben in der Taktik liegt, und daß die Taktik der sogenannten „Ge- mäßigten“ entschieden die illoyalere und gefährlichere ist. Daß es den Führerinnen der Frauenverbände ursprünglich gemäßigter Richtung nicht leicht wird, ihre Heerscharen, die sie einst unter dem Banner friedlicher, charitativer, unpolitischer Frauenarbeit sammelten, jetzt bei der neuen Fahne mit der Jn- schrift „Frauenstimmrecht“ festzuhalten, das ist aus den ver- schiedensten Anzeichen zu schließen. Eine hannöversche Dame, Gattin eines Geistlichen, erzählte dem Verfasser kürzlich, daß sie

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/10>, abgerufen am 28.11.2024.