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Lange, Helene: Der vierte Weg zur Universität. Berlin, 1909.

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berechtigt sein dürfte - denn sie hat das im Erlaß vom
3. April ja auch nicht gesagt. Was nun der einen Fakultät
recht ist, ist den andren billig. Warum soll nur auf die
philosophische Fakultät die Fülle ungenügend vorgebildeter
Studentinnen losgelassen werden, die bald den Seminaren ent-
strömen wird? Warum sollen die anderen Fakultäten nicht
auch ihr Teil bekommen? Oder meint man etwa, daß die zwei
Jahre Lehrerinnenpraxis für die philosophische Fakultät etwas
zu bedeuten hätten? Sie werden übrigens durch das Ver-
langen der Direktoren nach voller Gleichstellung der Seminare
mit den Studienanstalten so nebenbei einfach hinweggewischt;
wohl kaum mit Unrecht. Denn ob die junge Lehrerin zwei
Jahre Schreiblesen, Rechnen, Stricken, Geschichtserzählungen
und was der Anfängerin sonst etwa zufällt, unterrichtet hat, ist
für das Examen pro fac. doc., das ein wissenschaftliches,
kein pädagogisch-didaktisches ist, tatsächlich belanglos. Also fort
damit, und nun für sämtliche Studien den Weg geöffnet, den
von vielen deutschen Schulmännern so heiß erstrebten vierten
Weg, den Weg für die Frauen.

Einen vierten Weg - warum nicht? Wenn es einen
solchen gibt? Hat doch das Anwachsen der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Disziplinen, das Entstehen der technischen
Berufe auch einen dritten, den der Oberrealschule möglich
und notwendig gemacht.

Eben dieser Gedankengang zeigt uns die Unmöglichkeit
eines vierten Weges. Die Universität ist bei uns nicht wie
in England Vermittlerin einer gewissen allgemeinen Bildung
auf wissenschaftlicher Grundlage, sondern in erster Linie Über-
mittlerin einer wissenschaftlichen Fachbildung, man studiert
auf einen Beruf hin. Die dafür notwendigen Voraussetzungen
sind in den Reifeprüfungen der drei höheren Knabenschul-
gattungen, die schon auf diese Berufe hinzielen, gegeben. Diese
Prüfungen stellen mit den obligaten Ergänzungsprüfungen alle
zurzeit möglichen Voraussetzungen erschöpfend dar. Was man
von den Wegen, die zu diesen Prüfungen führen, was man
von dem ganzen Stand unsrer pädagogischen Traditionen, was

berechtigt sein dürfte – denn sie hat das im Erlaß vom
3. April ja auch nicht gesagt. Was nun der einen Fakultät
recht ist, ist den andren billig. Warum soll nur auf die
philosophische Fakultät die Fülle ungenügend vorgebildeter
Studentinnen losgelassen werden, die bald den Seminaren ent-
strömen wird? Warum sollen die anderen Fakultäten nicht
auch ihr Teil bekommen? Oder meint man etwa, daß die zwei
Jahre Lehrerinnenpraxis für die philosophische Fakultät etwas
zu bedeuten hätten? Sie werden übrigens durch das Ver-
langen der Direktoren nach voller Gleichstellung der Seminare
mit den Studienanstalten so nebenbei einfach hinweggewischt;
wohl kaum mit Unrecht. Denn ob die junge Lehrerin zwei
Jahre Schreiblesen, Rechnen, Stricken, Geschichtserzählungen
und was der Anfängerin sonst etwa zufällt, unterrichtet hat, ist
für das Examen pro fac. doc., das ein wissenschaftliches,
kein pädagogisch-didaktisches ist, tatsächlich belanglos. Also fort
damit, und nun für sämtliche Studien den Weg geöffnet, den
von vielen deutschen Schulmännern so heiß erstrebten vierten
Weg, den Weg für die Frauen.

Einen vierten Weg – warum nicht? Wenn es einen
solchen gibt? Hat doch das Anwachsen der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Disziplinen, das Entstehen der technischen
Berufe auch einen dritten, den der Oberrealschule möglich
und notwendig gemacht.

Eben dieser Gedankengang zeigt uns die Unmöglichkeit
eines vierten Weges. Die Universität ist bei uns nicht wie
in England Vermittlerin einer gewissen allgemeinen Bildung
auf wissenschaftlicher Grundlage, sondern in erster Linie Über-
mittlerin einer wissenschaftlichen Fachbildung, man studiert
auf einen Beruf hin. Die dafür notwendigen Voraussetzungen
sind in den Reifeprüfungen der drei höheren Knabenschul-
gattungen, die schon auf diese Berufe hinzielen, gegeben. Diese
Prüfungen stellen mit den obligaten Ergänzungsprüfungen alle
zurzeit möglichen Voraussetzungen erschöpfend dar. Was man
von den Wegen, die zu diesen Prüfungen führen, was man
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[8/0008] berechtigt sein dürfte – denn sie hat das im Erlaß vom 3. April ja auch nicht gesagt. Was nun der einen Fakultät recht ist, ist den andren billig. Warum soll nur auf die philosophische Fakultät die Fülle ungenügend vorgebildeter Studentinnen losgelassen werden, die bald den Seminaren ent- strömen wird? Warum sollen die anderen Fakultäten nicht auch ihr Teil bekommen? Oder meint man etwa, daß die zwei Jahre Lehrerinnenpraxis für die philosophische Fakultät etwas zu bedeuten hätten? Sie werden übrigens durch das Ver- langen der Direktoren nach voller Gleichstellung der Seminare mit den Studienanstalten so nebenbei einfach hinweggewischt; wohl kaum mit Unrecht. Denn ob die junge Lehrerin zwei Jahre Schreiblesen, Rechnen, Stricken, Geschichtserzählungen und was der Anfängerin sonst etwa zufällt, unterrichtet hat, ist für das Examen pro fac. doc., das ein wissenschaftliches, kein pädagogisch-didaktisches ist, tatsächlich belanglos. Also fort damit, und nun für sämtliche Studien den Weg geöffnet, den von vielen deutschen Schulmännern so heiß erstrebten vierten Weg, den Weg für die Frauen. Einen vierten Weg – warum nicht? Wenn es einen solchen gibt? Hat doch das Anwachsen der mathematisch- naturwissenschaftlichen Disziplinen, das Entstehen der technischen Berufe auch einen dritten, den der Oberrealschule möglich und notwendig gemacht. Eben dieser Gedankengang zeigt uns die Unmöglichkeit eines vierten Weges. Die Universität ist bei uns nicht wie in England Vermittlerin einer gewissen allgemeinen Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage, sondern in erster Linie Über- mittlerin einer wissenschaftlichen Fachbildung, man studiert auf einen Beruf hin. Die dafür notwendigen Voraussetzungen sind in den Reifeprüfungen der drei höheren Knabenschul- gattungen, die schon auf diese Berufe hinzielen, gegeben. Diese Prüfungen stellen mit den obligaten Ergänzungsprüfungen alle zurzeit möglichen Voraussetzungen erschöpfend dar. Was man von den Wegen, die zu diesen Prüfungen führen, was man von dem ganzen Stand unsrer pädagogischen Traditionen, was

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Der vierte Weg zur Universität. Berlin, 1909, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_weg_1909/8>, abgerufen am 23.11.2024.